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Documenta 13 – Hundert Tage Kunst-Marathon

Kultur

Documenta 13 – Hundert Tage Kunst-Marathon

  • Text: Dietrich RoeschmannBilder: Roman Mensing, Nils Klinger

Endlich! Das mausgraue Kassel erwacht wieder zur strahlenden Welt-Kunsthauptstadt. Unser Guide für die Documenta 13.

Endlich! Das mausgraue Kassel erwacht wieder zur strahlenden Welt-Kunsthauptstadt. Unser Guide für die Documenta 13.

Seit Carolyn Christov-Bakargiev 2008 zur Leiterin der Documenta 13 berufen wurde, hat die umtriebige Amerikanerin alles getan, um aus dem Kunstevent ein Geheimnis zu machen. Lange verriet sie keine Künstlernamen. Stattdessen zauberte die 54-Jährige ein derart verwirrendes und kurzweiliges Vorprogramm aus dem Hut, wie es die weltgrösste Ausstellung zeitgenössischer Kunst noch nicht gesehen hat.

Dazu gehörten: ein Hundekalender, zwei Apfelbäumchen, die feierliche Wiedervereinigung eines Meteoriten, den Geologen vor einem halben Jahrhundert in zwei Hälften zersägt hatten – und natürlich die hundertbändige Notizheftreihe «100 Notizen – 100 Gedanken» mit Texten von Künstlern, Philosophen und Wissenschaftern. «Mein Konzept ist», sagte die Kuratorin Christov-Bakargiev, «dass ich kein Konzept habe.» Ein 25-Millionen-Euro-Unternehmen, das drei Jahre Vorbereitungszeit braucht und rund 350 Menschen beschäftigt, um der Welt eine Idee davon zu geben, was zeitgenössische Kunst sein kann – und die Kuratorin hat kein Konzept? Das darf man getrost unter Understatement verbuchen. Der Rahmen ist längst gesteckt.

Ein Wahrzeichen der Ausstellung ist der neun Meter hohe Bronzebaum, den der Italiener Giuseppe Penone vor zwei Jahren als erstes offizielles Kunstwerk der Documenta 13 in der Karlsaue, einer historischen Parkanlage, aufstellte. Seine künstlichen Äste tragen einen tonnenschweren Felsblock, während aus seinen Wurzeln ein echtes Bäumchen spriesst – eine bizarre Romanze zwischen Kunst und Natur. Bei der Eröffnung der Ausstellung werden sich nun dreissig weitere Arbeiten dazugesellen – mehr Kunst war in der Karlsaue noch nie zu sehen.

Das zweite Zentrum der Ausstellung wird Kassel selbst sein: eine graue Instant-Metropole, die innert weniger Jahre aus den Trümmern des Kriegs gestampft wurde und bis in die frühen Sechzigerjahre als eine der modernsten Städte Deutschlands galt. Heute wirkt sie wie ein Freilichtmuseum des urbanen Biedersinns – doch gerade das interessiert Carolyn Christov-Bakargiev. Wo sonst liesse sich der Zusammenhang von Geschichte und Zukunft, ohne den wir die Gegenwart nicht verstehen können, so intensiv erleben wie auf dieser Bühne verblichener Utopien?

Documenta 13, an rund 20 Ausstellungsorten in Kassel, 9. 6. bis 16. 9., täglich 10 bis 20 Uhr
Tageskarte ca. 25 Franken, 2-Tages-Karte ca. 42 Franken, Dauerkarte ca. 120 Franken
d13.documenta.de


Auf der nächsten Seite finden Sie Tipps zum Übernachten, Ausgehen und Essen rund um die Documenta 13 in Kassel.

Documenta 13

9. Juni bis 16. September
Das Reiseziel ist klar: Kassel! Doch wo Schlafen, Essen, Relaxen? Wir haben die besten Tipps zusammengestellt und sagen, wo Sie dem Kunstgeschehen auch mal entfliehen können.

Übernachten

Parkhotel Hessenland.
Das elegante Foyer gehört zu den Highlights der Kasseler Nachkriegsarchitektur.
Obere Königstrasse 2
www.hotel-kassel-hessenland.de
DZ ab ca. 175 Franken

Hotel Reiss.
Nach sorgsamer Renovierung wurde der denkmalgeschützte Fünfzigerjahre-Bau von Paul Bode vor wenigen Wochen als luxuriöses 4-Sterne-Kunsthotel wiedereröffnet.
Werner-Hilpert-Strasse 24
www.hotelreiss.de
DZ ab ca. 235 Franken

Hotel Elwe.
Einzel- oder Doppelzelle? Pünktlich zur Documenta öffnet das ehemalige Gefängnis Elwe seine Tore für Übernachtungsgäste. Der Komfort ist standesgemäss: Pritsche, Stuhl, Spind.
Leipziger Strasse 11
www.elwe-kassel.de
DZ ab ca. 95 Franken

Ausflug

Kloster Breitenau.
Touristische Highlights sehen anders aus. Für Carolyn Christov-Bakargiev gehört das frühere Benediktinerkloster Breitenau dennoch zu den wichtigsten Orten Kassels. Rund zehn Kilometer von der City entfernt, duckt sich der romanische Trutzbau zwischen Autobahn und Industriegebiet. Ab 1870 diente das Kloster als Gefängnis, später bauten die Nazis es zum KZ aus, das nach 1945 als Mädchenerziehungsheim genutzt wurde. Die schlimmen Bedingungen, unter denen die Kinder hier hausten, veranlassten Ulrike Meinhof zu ihrem Filmskript «Bambule». «Ich führe alle Künstler an diesen Ort», sagt die Documenta-Chefin, «viele ihrer Arbeiten sind durch ihn inspiriert.»
Gedenkstätte Breitenau
Guxhagen

täglich geöffnet (ausser samstags)

Ausgehen

Soda
Gut besuchter Retro-Club mit «Saturday Night Fever»- Flair, inklusive von unten beleuchteter Tanzfläche!
Friedrich-Ebert-Strasse 18
www.soda-cassel.de

A. R. M. und Lolita-Bar
Legendärer Szenetreff mit Kultbar und Konzertbühne. Nirgendwo ist Kassel mehr Berlin.
Werner-Hilpert-Strasse 22
www.armaberokay.de

Essen

Osteria
Küchenchefin Gisela Levorato kocht «wie die sprichwörtliche italienische Mamma – auch wenn sie Deutsche ist», sagen die Tester des «Gault Millau».
Jordanstrasse 11
Tel. 0049 561 77 37 05
www.osteria-kassel.de

Zum Steinernen Schweinchen
Jürgen Richters Restaurant setzt auf die Fusion von regionaler und internationaler Küche.
Konrad-Adenauer-Strasse 117
Tel. 0049 561 94 04 80
www.steinernes-schweinchen.de

Lesen

In seinem Documenta-Führer erzählt der Christian Saehrendt die Geschichte der Biederstadt und ihres fünfjährlichen Erwachens zur Kunstmetropole. Witzig, klug, top informiert.
Christian Saehrendt: Kassel. Ist das Kunst oder kann das weg?
Dumont-Verlag, Köln 2012, 239 Seiten, ca. 24 Franken

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1.

Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev

2.

Der imposante Bronzebaum von Giuseppe Penone