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«Frauen müssen Männer nicht kopieren»

Leben

«Frauen müssen Männer nicht kopieren»

  • Text: Lara Marty; Bilder: Debora Eliyo-Zeyrek

Seit 47 Jahren ehrt das Champagner-Haus Veuve Clicquot weltweit Frauen für Innovationsgeist, Mut und unternehmerischen Tatendrang. Von allen drei Eigenschaften hat De Sede Chefin Monika Walser genug in petto – sie durfte den diesjährigen Business Women Award entgegennehmen.

Bei feinen Häppchen und – ganz nach dem Geschmack des Veranstalters – zwei oder drei Glas Champagner wurde vergangene Woche in Zürich die Gewinnerin des Business Women Award 2019 ausgezeichnet. Seit 16 Jahren wird der Preis auch in der Schweiz verliehen und würdigt die unternehmerischen und sozialen Eigenschaften erfolgreicher Geschäftsfrauen. Ein eigenes Business auf die Beine stellen – das ist ein Traum, den viele hegen. Aber wie sieht er denn aus, der Weg bis an die Spitze? «Der ist mit Selbstzweifeln, Herausforderungen und schwierigen Entscheidungen gesät», sagt die diesjährige Gewinnerin Monika Walser. Die 53-Jährige hat sich für den traditionsreichen Möbelhersteller De Sede in der Rolle des Troubleshooters mehr als bewährt. Das Unternehmen stand kurz vor dem Konkurs, bevor die gelernte Damenschneiderin das Ruder übernahm. Ihr Credo: De Sede soll nicht sterben, sondern wieder zu einem leuchtenden Stern am Polstermöbelhimmel werden.

annabelle: Monika Walser, Sie haben das Unternehmen De Sede vor mehr als fünf Jahren übernommen. Der Möbelhersteller stand damals kurz vor der Insolvenz. Was motivierte Sie dazu, als Teilhaberin bei De Sede einzusteigen?
Monika Walser: Die Marke und das damit verbundene Handwerk. Die Menschen, die dahinterstehen und ihre Arbeit jeden Tag mit Leidenschaft höchst professionell ausüben; ich wollte, dass das weiterbestehen kann.

Mögen Sie sich an den Moment erinnern, als Sie merkten: Doch, das kommt gut, ich kann das Ruder noch herumreissen?
Dieser Moment hat sehr lang auf sich warten lassen. De Sede stand tatsächlich eine Sekunde vor dem Konkurs. Natürlich hoffte und wollte ich, dass es gut kommt. Wirklich dran glauben konnte ich erst, als mich mein Umfeld immer wieder bestätigte.

Wie sind Sie mit den Zweifeln und der Ungewissheit umgegangen?
Das waren sehr schwierige Momente. Wenn man allein ist und nicht weiterweiss, muss man eine Art Zweckoptimismus entwickeln. Eine starke Familie im Rücken und gute Leute im nahen Umfeld sind in solchen Situationen enorm wichtig. Auch heute zweifle ich eigentlich ständig. De Sede verkauft Luxusmöbel – also etwas, das sich per se niemand anschaffen muss. Nur wer wirklich Freude daran hat, gibt gern Geld dafür aus. Das bedeutet für mich, dass ich mich nie ausruhen darf. Den Moment zu geniessen, ist okay. Geniesse ich ihn zu lang, verpasse ich den nächsten Schritt.

Der Veuve Clicquot Award zeichnet Geschäftsfrauen mit innovativem Unternehmergeist aus. Wie viel Innovation verträgt ein Traditionshaus, wie De Sede es ist?
Wir müssen uns immer wieder Gedanken dazu machen, wie sich das Verhalten der Menschen im Alltag verändert. Und es verändert sich massiv! Wir haben zum Beispiel erkannt, dass sich das Familienleben nicht mehr primär auf dem Sofa in der Stube abspielt. Heute findet das Familienleben vermehrt am Esstisch und in der Küche statt. Dementsprechend haben wir unsere Produkte angepasst und neue Sitzmöbel entworfen – solche Entwicklungen muss man voraussehen.

Welchen Ratschlag haben Sie während Ihrer Laufbahn gekonnt ignoriert?
Mir wurde einst nahegelegt, ich dürfe mich nicht zu sehr in ein Geschäft eindenken. Um die Strategie zu sehen, müsse ich an der Oberfläche bleiben. «Gehst du zu tief ins Detail, verlierst du den Überblick», haben sie gesagt. Das mag für Grossunternehmen stimmen, doch in meinem Fall musste ich jeden Rappen sparen und die Vorgänge detailliert kennen, um die richtigen Entscheide zu treffen.

Apropos Rappen sparen … Ein Unternehmen zu gründen – oder wie in Ihrem Fall zu übernehmen –, ist immer auch ein finanzielles Wagnis. Wie kommen junge Unternehmerinnen am besten zu genügend Startkapital?
Von Crowdfunding bis zu Investoren gibt es heute ganz viele verschiedene Möglichkeiten. Aber da bin ich old school. Ich will einen gewissen Anteil auch selbst mitfinanzieren. Es gibt mir einfach ein anderes Gefühl, wenn auch mein eigenes Geld mit im Spiel ist.

Sie wurden für Ihr unternehmerisches Talent und Ihren Erfolg mit dem Business Women Award geehrt. Welche Eigenschaften machen eine gute Geschäftsfrau aus?
Eine hohe Risikobereitschaft ist sicher von Vorteil. Denn ganz ehrlich: Es geht öfter schief, als dass es klappt. Eine gute Unternehmerin kann sich auch selbst reflektieren. Sie erkennt ihre Grenzen und ist fähig – wenn nötig – Hilfe anzunehmen. Sie muss sich eingestehen können, wenn etwas nicht funktioniert, und dann in der Lage sein, ihr Konzept in eine andere Richtung zu denken. Und für mich ist ganz wichtig: Eine gute Unternehmerin bleibt authentisch. Eine Frau sollte nicht versuchen, die Geschäftsmänner zu kopieren; Mann und Frau sollten sich ergänzen, und das geht nur, wenn wir unserer Haltung treu bleiben und niemanden nachahmen.