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Berufliche Selbstständigkeit

Leben

Berufliche Selbstständigkeit

  • Redaktion: Julia Heim

Den Wunsch, sich selbstständig zu machen, verspüren viele. Doch die Umsetzung erfordert gute Planung und Mut. Wir haben mit Life-Coach Marc Schoenes gesprochen und für Sie nach Infos und Tipps zur beruflichen Veränderung gefragt. 

Als wir über unsere Social-Media-Kanäle nach Unternehmerinnen fragten, die eine eigene Firma gegründet haben, war das Echo überwältigend. Die vielen Zuschriften erzählen von Backshop, Coworkingspace, Fotostudio und Social-Media-Management; von Treuhandbüro, Kita und Onlineshop; von Ideen, Visionen und viel Engagement. Alle eint der Mut zur Selbstständigkeit und die Überzeugung, dass der Beruf nicht nur dem Lebensunterhalt dient, sondern auch und vor allem der eigenen Identitätsfindung und Erfüllung. Eine eigene Firma bedeutet viel Arbeit, aber auch Flexibilität und Entfaltung. Das bestätigt uns Life-Coach Marc Schoenes aus Zürich, der in seiner Praxis auch Jungunternehmerinnen begleitet und berät. Wir wollten von ihm wissen, wie es Frauen mit dem Schritt in die Selbstständigkeit geht, was sie motiviert, aber auch zweifeln lässt, und welche Tipps es zu beachten gilt.

annabelle: Marc Schoenes, warum kommen Frauen mit dem Wunsch nach beruflicher Selbstständigkeit zu Ihnen?
MARC SCHOENES: Viele meiner Klientinnen sehnen sich nach mehr Erfüllung im Berufsleben. Die Selbstständigkeit bietet sich hier als vielversprechende Möglichkeit an. Der Schritt dahin ist aber nicht nur von Leidenschaft und freudiger Erwartung geprägt, sondern oft auch von Zweifeln und Ängsten. Als Coach helfe ich meinen Klientinnen, grössere Klarheit zu gewinnen und den nötigen Mut zu fassen, um den grossen Schritt zu wagen.

Welche Gründe nennen Ihre Klientinnen für diesen Schritt?
Für viele geht es um die Verwirklichung einer packenden Idee und um den Wunsch nach mehr Freiheit. Und, oft damit verbunden, der Wunsch, etwas Neues und Positives hervorzubringen. Andere fühlen sich einfach nicht wohl in einem Angestelltenverhältnis, weil sie sich nicht mit den in der Firma gelebten Werten identifizieren können. Auch grössere Flexibilität ist manchmal ein Thema, besonders bei (werdenden) Müttern.

Welche Zweifel bringen sie mit?
Meist steht das finanzielle Risiko im Vordergrund. Es braucht Mut, den sicheren Hafen einer Festanstellung zu verlassen, um sich auf ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang einzulassen. Zweifel, ob dies denn nun der richtige Zeitpunkt sei und ob Erfahrung und Knowhow ausreichen, kommen auf. Allerdings zeigt sich bei genauerem Hinsehen oft, dass die Angst zu versagen und sich in seinem Umfeld lächerlich zu machen dahintersteckt. Gerade bei Frauen mit Top-Ausbildung bringt eben diese nicht nur Chancen mit sich, sondern auch einen erheblichen Erwartungsdruck, mit dem umzugehen nicht immer einfach ist.

Wie lange begleiten Sie eine Klientin im Durchschnitt bei einer solchen Entscheidungsfindung?
Das ist sehr individuell und hängt davon ab, mit was der Klientin am meisten gedient ist. Wenn es nur um die Entscheidungsfindung geht, kann die Zusammenarbeit sehr kurz sein. Oft ist es aber so, dass die schwierigste Phase erst nach der Entscheidung kommt, nämlich wenn es um die Umsetzung des Projekts geht. Dort stellen sich der Unternehmerin nämlich täglich neue Herausforderungen und Hürden, die es zu überwinden gilt, und da ist eine Begleitung durch einen Coach ungemein hilfreich. Meine Aufgabe ist es, der Unternehmerin zu helfen, das Beste aus sich herauszuholen. Das hat viel mit Motivation zu tun, aber auch mit Reflektion und Selbstfürsorge.

Gibt es Tipps oder gar ein Geheimrezept für Frauen, die diesen Plan verfolgen?
Es gibt tatsächlich ein Geheimrezept, und ein ganz simples obendrein: Trust yourself, und damit meine ich vor allem dem Bauch und dem Herzen. Das ist der Weg zum Erfolg, übrigens nicht nur im Beruflichen! Simpel zwar, aber natürlich nicht ganz einfach umzusetzen. Im Gegenteil: Die überragende Mehrheit der Frauen und Männer hat, bis sie das Erwachsenenalter erreicht hat, erfolgreich verlernt, sich selbst zu vertrauen.

Wie erlangt man dieses Vertrauen wieder zurück?
Die wichtigste Frage lautet für mich Was will ich wirklich? Im Coaching gehen wir natürlich auch der Frage Warum will ich das? nach, und stellen uns diese so oft, bis wir zum wahren Kern kommen: zum Lebensziel der Klientin. Denn in diesem Ziel liegt die Kraft verborgen, welche die Unternehmerin nicht nur zum beruflichen Erfolg, sondern zu einem rundum erfüllten Leben zu leiten vermag.

Wie geht man vor, wenn sich Wunsch und Furcht die Waage halten?
Man sieht zu, dass sich das Gleichgewicht möglichst schnell in Richtung Wunsch verschiebt. Im Coaching arbeiten wir daran, die Vision zu klären und visuell und emotional greifbar zu machen, und wir mobilisieren die tiefer liegenden Antriebskräfte und den Mut, die erst dann zugänglich werden, wenn sich die Klientin voll auf Kurs zu ihrem Lebensziel fühlt. Und dann arbeiten wir an der Furcht beziehungsweise an ihrem Gegenspieler, dem Vertrauen in sich selbst. Denn Angst ist selten ein guter Ratgeber. Und doch: Es geht es nicht darum, furchtlos zu sein. Mutig sein, Courage haben, heisst für mich, die Angst zu spüren und es trotzdem zu tun.

Haben Sie einer Klientin schon einmal abgeraten, sich selbstständig zu machen?
Ich bin kein Start-up-Coach. Das heisst, ich evaluiere keine Ideen und auch keine Businessmodelle. Damit würde ich meinen Glaubenssatz unterlaufen, dass die richtige Antwort letztendlich nur die Klientin für sich selbst finden kann – und auch wird. Aber ich helfe ihr selbstverständlich, diese Antworten auszugraben, und meine eigene Erfahrung als Unternehmer hilft mir mit Sicherheit, am richtigen Ort zu graben. Als Coach sehe ich mich als Sparringspartner. Meine Aufgabe ist es daher nicht, meinen Klientinnen die Selbstständigkeit grundsätzlich zu empfehlen oder davon abzuraten.

Gibt es den richtigen Zeitpunkt, das Risiko einzugehen?
Nein! Da ist es ein bisschen so wie mit dem Kinderkriegen: Wer auf den richtigen Zeitpunkt wartet, wird mit grosser Wahrscheinlichkeit ewig warten. Aber natürlich gibt es durchaus bessere und schlechtere Zeitpunkte. Ich betrachte die Problematik des Timings allerdings am liebsten aus einer «energetischen» Perspektive, also über die Frage «Was brauche ich in diesem Moment?». So versuche ich zu verhindern, dass die Evaluation des Timings sich ausschliesslich an den äusseren Umständen orientiert – was, wie eben auch beim Kinderkriegen, selten zum letztendlichen Erfolg führt.

Wie hoch liegt die Erfolgsquote Ihrer Klientinnen?
Das kommt darauf an, wie man Erfolg definiert. Die Zusammenarbeit ist für mich dann erfolgreich, wenn die Klientin sich letztlich sichtbar – und messbar! – erfüllter fühlt, lebendiger fühlt. Und das war bei meinen Klientinnen bisher tatsächlich ausnahmslos der Fall. Das heisst aber natürlich nicht, dass dieser Schritt für alle der richtige ist. Das gilt es immer individuell zu erörtern. Unternehmenserfolg ist für mich zweitrangig, «Erfolg um jeden Preis» eine Devise, deren Ablaufdatum längst überschritten ist. Unsere Welt braucht nicht noch mehr erfolgreiche Menschen. Was unsere Welt braucht, sind mehr passionierte, lebendige, glückliche Menschen!

Vor sieben Jahren machte sich Marc Schoenes erstmals selbstständig mit einem Start-up im E-Health-Bereich. Damals wollte er vor allem etwas Kreatives und Neues schaffen, etwas bewegen. Nach Aufgabe des Start-up blieb er als freischaffender Unternehmensberater flexibel und eröffnete 2012 seine eigene Coaching-Praxis in Zürich.
www.schoenescoaching.ch

Tipps und Links für die Selbstständigkeit

  • Das KMU-Portal des Staatssekretariats für Wirtschaft bietet Infos und Tipps zur Unternehmensgründung
  • 100-days.net ist eine Crowdfunding-Plattform, über die in bis zu 100 Tagen Geld für Projekte gesammelt werden kann
  • Der Verband Frauenunternehmen bietet Unternehmerinnen ein Netzwerk, veranstaltet Events und Weiterbildungen
  • Kontaktieren Sie die AHV, wenn es um Fragen zur kantonalen Ausgleichskasse geht