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Liebe Alexandra Stanic

Leben

Liebe Alexandra Stanic

  • Text: Miriam Suter, Foto: Marko Mestrovic 

Wenn man dich googelt, erscheint als dritter Treffer der Eintrag über dich auf der fragwürdigen Plattform Wikimannia – noch vor dem Link zu deinen Artikeln beim Onlinemagazin Vice, bei dem du seit Oktober 2018 die österreichische Redaktion leitest. Auf Wikimannia sammeln Antifeministen Fakten über Frauen, die sie als Gefahr für ihre Welt sehen. Eine Welt, die du, Alexandra, als deinen Feind siehst: das Patriarchat. Das ist nur einer der Gründe, warum du schon lang zu meinen Girl Crushes gehörst.

Ich weiss nicht mehr genau, wann du mir in den Weiten des Internets zum ersten Mal aufgefallen bist. Aber es muss etwa zu der Zeit gewesen sein, in der ich mein feministisches Erwachen als Frau und als Journalistin hatte. Damals hast du noch bei der österreichischen Zeitschrift «dasbiber» gearbeitet und mit deinen gepfefferten Artikeln über Politik, Feminismus und das Leben als Frau mit Migrationshintergrund in Österreich berichtet. Dein Mut hat mich von Anfang an beeindruckt. Einer jungen Frau, die sich öffentlich derart klar positioniert und äussert, wie du es tust, schlägt die hässlichste Seite des Patriarchats entgegen, das merke ich selber auch immer wieder. Bei dir gehen die Angriffe aber noch ein paar Stufen weiter als bei mir. Wenn ich Pech habe, gibts ein paar wütende sexistische Nachrichten auf Twitter oder im E-Mail-Postfach, that’s it. Bei dir sieht das etwas anders aus.

In einem deiner ersten Artikel für Vice Österreich hast du darüber geschrieben, was dir nach deinem Auftritt in der TV-Sendung «Pro und Contra» auf Puls4 widerfahren ist. In der Sendung hattest du über sexualisierte Gewalt gesprochen, einen glanzvollen Auftritt hast du dort hingelegt – so sah ich das zumindest. Der rechte Youtuber Oliver Flesch war allerdings anderer Meinung und hat auf seinem Kanal, dem damals 30 000 Menschen folgten, ein Video aufgeschaltet mit dem Titel «Maximilian Pütz zerlegt Frauenrechtlerin live im TV». Danach brach eine Lawine des Hasses über dich herein, noch stärker als diejenigen zuvor. Auf Instagram habe ich gesehen, wie du dich zurückziehst. Und ich dachte: Recht hat sie, man muss auf sich und seine Seele achtgeben. Aber ich dachte auch: Bitte knick nicht ein, liebe Alexandra, die Welt braucht dich. Ich brauche dich. Aber du kamst zurück, hast weitergeschrieben, weitergekämpft und dich nicht von den Trollen im Internet (und sicherlich auch im echten Leben) unterkriegen lassen.

Wir haben uns leider noch nie getroffen, tauschen uns aber regelmässig auf Instagram aus. Früher habe ich solche Online-Freundschaften oft belächelt, habe gedacht, dass über Social Media keine echte Bindung entstehen kann. Ich lag falsch. Seit ich mich selber als Journalistin auch auf Social Media sichtbarer mache, habe ich diese Freundschaften schätzen gelernt. Zu wissen, dass es in Österreich diese Alexandra gibt, die nicht aufgibt, hilft mir. Zu sehen, dass sich diese Alexandra auch unfassbar verletzlich zeigt, ebenfalls. Weil das Leben als Journalistin eben nicht schwarz und weiss ist. Weil die Branche für uns, die sich auf der Schnittstelle von Journalismus und Aktivismus bewegen – weil es unser Leben ist, über das wir schreiben, verdammt –, einfach eine andere ist als für diejenigen, die in einem machoiden Boys Club sozialisiert wurden. Aber ich schweife ab, hier soll es um dich gehen, liebe Alexandra.

Danke für deine Sturheit. Danke für deine Verletzlichkeit. Danke dafür, dass du sichtbar machst, wie viele Facetten eine Journalistin haben kann und darf. Für mich bist du die Joan Didion unserer Generation, eine Nora Ephron der Millennials, eine Marie Colvin in the Making. Und bitte: Wir sollten uns bald mal in echt treffen.

Mit viel Liebe, 
Miriam Suter