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Die Queers: Alles in Bewegung

Leben

Die Queers: Alles in Bewegung

Sie repräsentieren das «falschsexuelle Spektrum» und sprengen das Konzept von Mann und Frau.

Sechs Mitglieder der Milchjugend vereint in der «Cranberry»-Bar; dem Ort in Zürich, wo man sich neben einem Appletini oder Moscow Mule auch eine «Schlampe» bestellen kann: Skyy-Vodka mit Peach Liqueur, Passionfruit und Red Vodka. Oberflächlich betrachtet, könnten die sechs unterschiedlicher nicht sein: Karosserielackiererin, Psychologiestudent, Fachfrau Gesundheit, Ethnologiestudierende, Kinderbetreuerin, KV. Alter: Zwischen 18 und 26. Herkunft: Dänemark, Surinam, Schweiz, Kosovo, Kongo, Deutschland. Und doch sind sie unzertrennlich. Sie alle sind queer. «Und Queer-Sein verbindet. Da spielt weder Alter noch Herkunft eine Rolle», sagt Ben.

Vor zwanzig Jahren wurde ihm das weibliche Geschlecht zugewiesen, er ist aber ein Mann, heute auch äusserlich. «Wir wachsen in einer Welt auf, in der uns von klein auf beigebracht wird, dass unsere Gesellschaft quasi aus Schwarz und Weiss besteht. Aus ‹Sie› und ‹Er›. Aus heterosexueller Liebe. Dabei gibt es so viel mehr dazwischen und ausserhalb», sagt Sara, zwanzig Jahre alt, «polyamourös, homoromantisch und pansexuell», aber ihrer Freundin Megan wegen «gerade monogam». Neben den beiden sitzen MJ, Ben, Sirith und Julia: «Tomboy, lesbisch»; «Trans-Mann, hetero»; «Nonbinär, queer»; «lesbisch». Das Gespann deckt das «falschsexuelle Spektrum», wie es die Milchjugend nennt, schon mal gut ab. Die Jugendorganisation setzt sich in der Schweiz für ein realistischeres Bild von Sexualität und Liebe ein: «Nur, weil die Mehrheit unserer Gesellschaft gewisse Dinge nicht kennt, heisst es nicht, dass sie nicht existieren», meint Sirith (26), feminin gekleidet, aber weder «sie» noch «er». Es sei wie bei Platons Höhlengleichnis. Verkürzt gesagt: Was der Mensch nicht kennt, glaubt und akzeptiert er nicht.


Milchjugend: «Um etwas zu erreichen, muss man lernen, offen und tolerant zu sein»

Dass die Materie, der sich die Milchjugend verschrieben hat, nicht ganz einfach zu durchschauen ist – und durchaus ein paar Fallstricke bietet –, geben die sechs gern zu. Auch ihnen selbst passiert es immer mal wieder, dass sie falsche Begriffe verwenden. Und jedes Mal weist jemand (oder jemensch, wie man in der Milchjugend sagen würde) verständnisvoll auf den Fehler hin: «Wenn man Menschen zu stark mit etwas konfrontiert, geraten sie in eine Abwehrhaltung. Um etwas zu erreichen, muss man lernen, offen und tolerant zu sein.» Offen sein, das können die sechs – auch in Sachen Beziehungsform. «Offene Beziehungen sind bei uns ein oft diskutiertes Thema. Wenn Heteros daten, geht man ja eher mal davon aus, dass beide monogam sind. Bei uns wird eher einfach danach gefragt, wie wenn man nach Hobbies fragt», sagt Ben. Sara meint: «Das Ziel einer Beziehung, das sieht man auch in fast allen Filmen, ist bei Heteros oft die Ehe. Vermutlich gibt es auch deshalb weniger offen geführte Beziehungen, weil viele Paare an diesem Konzept festhalten. Für uns gibt es in der Schweiz die Option Heirat aber gar nicht.» Auch in der queeren Welt sei eine offene Beziehung aber nicht jedermenschs Sache. Sirith beispielsweise weiss, dass Sirith Exklusivität lieber ist. Aber nur, weil Sirith es versucht hat – und ausprobieren könne man ja immer.

«Natürlich kennen auch wir Tabus. Die sind aber nicht gesellschaftlich antrainiert, sondern gründen tiefer. Was nicht einvernehmlich ist oder anderen Schaden zufügt, ist nicht okay», erklärt Sirith. Dass aber Sex mit Freunden oder enge Freundschaften mit Verflossenen tabu sein sollten, verstehen die sechs nicht. MJ: «Was sollte mir denn das Recht geben, jemandem zu sagen: ‹Du darfst nichts mit meiner Ex anfangen?› Der Pool an datebaren, lesbischen Frauen ist eh schon klein, da kann man nicht noch kategorisch ausschliessen». In der Queer-Szene denke man in dieser Hinsicht ab und zu wohl einfach etwas anders als in der Heterowelt. Im Endeffekt seien die sechs ja auch nicht bloss Freunde, sondern Familie. MJ: «Es gibt die biologische Familie, in die man hineingeboren wird. Und dann gibt es die logische Familie. Und die sucht man sich aus.»

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