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Leben

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  • Text: Claudia Senn; Fotos: Claudia Senn, Twitter

Wie man Schweizer Künstlerinnen in Zeiten von Corona unterstützen kann? Zum Beispiel mit dem Kauf dieser kleidsamen Schutzmaske in Pestdoktor-Optik. Claudia Senn über Kunst als Waffe gegen die Umstände, die wir ja doch nicht ändern können.

Gestatten: meine neue Schutzmaske. Kleidsam, nicht wahr? Genäht ist sie aus doppeltem, hundertjährigem Leinen, das vorab in Eisenlauge gebeizt und mit frischer Erde imprägniert wurde. Im Inneren des Schnabels versteckt sich duftender Rosmarin, der sämtliche Pesthäuche der Moderne auf biologische Weise neutralisiert. Das Beste aber ist, dass Social Distancing mit diesem Ding ganz von allein funktioniert. Die meisten Menschen überlassen mir in der Migros sofort ihren Platz an der Gemüsewaage oder setzen sich im Tram ans andere Ende des Wagons. Es ist als wäre ich Moses, und die Menge würde sich vor mir teilen wie damals das Rote Meer.

Genäht hat meine Maske die Schweizer Künstlerin Nathalie Bissig, die sich dabei von der Vergangenheit inspirieren liess. Es gab nämlich tatsächlich einmal eine Zeit, in der solche Dinger getragen wurden: von den Pestdoktoren im 16. bis 19. Jahrhundert. Mit ihren Schnabelmasken und den langen, dunklen Schutzanzügen aus gewachstem Stoff wirkten diese historischen Vorgänger der Corona-Notfallteams wie eine Kreuzung aus Mensch und Krähe. Sie befüllten ihre Schnäbel mit Minze, Zitronenmelisse, Kampfer oder Rosen, weil sie glaubten, die Duftstoffe könnten sie vor der schrecklichen Krankheit bewahren, und lebten in Quarantänequartieren fernab der restlichen Bevölkerung. Medizinisch hatten sie allerdings erschreckend wenig zu bieten. Die Pestdoktoren malträtierten ihre Patienten mit Aderlässen oder setzten Frösche und Egel auf die Pestbeulen, «um die Balance der Körpersäfte wieder herzustellen». Nun ja, es geht doch nichts über ein bisschen Wissenschaft.

Ich schreibe diese Zeilen am Tag drei nach Ende des Lockdown. Während meiner einsamen Touren durch die Stadt überprüfe ich ängstlich, ob meine Lieblingsrestaurants und -läden noch da sind. Manche haben noch nicht wieder eröffnet, und ich befürchte, das Virus hat sie in den Konkurs getrieben. Wie muss es da erst den Künstlerinnen und Künstlern gehen, die auch unter normalen Umständen von der Hand in den Mund leben und jetzt auf keinerlei Reserven zurückgreifen können? Ich habe mir deshalb vorgenommen, einen Teil des Geldes, das ich während des Lockdown nicht ausgeben konnte, in Kunst zu investieren. Kunst ist systemrelevant, das zeigt allein schon die grossartige Getty Museum Challenge auf Twitter (#gettymuseumchallenge), wo in den vergangenen Wochen Tausende Menschen berühmte Kunstwerke nachstellten – und so der Tristesse ein bisschen Spass abtrotzten.

Eines fernen Tages, wenn Corona längst hinter uns liegt, wird mir zufällig beim Aufräumen Nathalie Bissigs Schnabelmaske in die Hände fallen. Sie wird mich daran erinnern, was für eine krasse Zeit es war. Eine Zeit, in der wir kaum konsumierten und uns das auch nicht fehlte. Eine Zeit, in der wir uns auf die Essenz des Lebens besannen: Liebe, Freundschaft, frische Luft, gutes Essen, guten Schlaf, den Blumenstrauss, den uns jemand Nettes ins Haus geschickt hatte, Humor. Eine Zeit auch, in der wir radikal auf uns selbst zurückgeworfen wurden, was manchmal schön war und manchmal schrecklich. Meine Schnabelmaske ist ein Symbol. Dafür, dass man sich auch unter widrigsten Umständen nicht allzu ernst nehmen sollte. Haben Sie deshalb keine Angst, wenn Sie mir bei der Gemüsewaage begegnen. Ich bin bloss ein schräger Vogel.
 

– Edition Schnabelmaske von Nathalie Bissig. Auflage unlimitiert. Set Maske und Halskrause ab 80 Franken (nur Maske 79 Franken, nur Halskrause 20 Franken). Auch in Kindergrösse erhältlich. Bestellung per E-Mail: [email protected]