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Warum Paare über Geld reden müssen

Leben

Warum Paare über Geld reden müssen

  • Interview: Franziska von Wolffheim; Foto: iStockPhoto / zimmytws

Den meisten Paaren fällt es leichter, über Sex zu reden als über Geld, sagt Michael Mary. Der deutsche Paartherapeut über Sparfüchse und Prasser, über die Währung der Liebe und Stolperfallen des ökonomischen Ungleichgewichts.

annabelle: Michael Mary, kann die Frage, wer beim ersten Date im Restaurant zahlt, alles vermasseln?
Michael Mary: Klar. Das hängt immer von den Erwartungen ab, die beide haben. Wenn er in dem Moment, in dem die Rechnung kommt, sagt: «Ich zahle!», findet sie das vielleicht ganz toll, oder aber sie fühlt sich bevormundet und ausgehalten. Eleganter wäre es, wenn er sie fragt: «Darf ich dich einladen?» Dann hat sie die Chance, darauf in Ruhe zu reagieren.

Sie sagen, dass es den meisten Paaren leichterfällt, über Sex zu sprechen als über Geld. Warum ist Geld so ein Tabuthema?
Viele Paare haben Angst, mit einem Gespräch über Geld ihre Liebe zu beschädigen. Sie kommen zu mir in die Beratung und sagen: Wir lieben uns doch, unsere Gefühle sind so stark, da müssen wir nicht über so was reden. Geld spielt in Beziehungen aber eine weitaus grössere Rolle, als allgemein angenommen wird.

Der irische Dramatiker George Bernard Shaw hatte zu dem Thema eine klare Meinung: «Du kannst über Liebe so romantisch denken, wie du willst; aber du sollst nicht romantisch sein, wenn es ums Geld geht.»
Shaw hatte recht. Das Thema sollte unbedingt auf den Tisch. Möglicherweise stellt sich dann heraus, dass die Beziehung doch nicht so gut ist, wie man dachte, weil mit dem Geld bestimmte Interessen verbunden sind.

Können Sie uns ein Beispiel geben?
Ich hatte neulich einen Mann bei mir in der Beratung, der mit einer sehr attraktiven Iranerin zusammen war. Nach einiger Zeit wurde ihm die Beziehung zu kostspielig, weil er für ihren Lebensstandard so viel bezahlen musste. Schliesslich sprach er sie darauf an, und sie sagte: «Meine Liebe gibt es nicht umsonst.» Da wurde ihm klar, dass das Verhältnis nur eine Tauschbeziehung war – Geld gegen Schönheit und Sex –, und er trennte sich von ihr. Er wollte sich als Person begehrt wissen und nicht wegen seines Geldes. Erst als er seine finanzielle Belastung angesprochen hatte, konnte er Klarheit über die Beziehung gewinnen.

Es gibt auch viele Paare, die das Finanzielle überhaupt nicht unter den Teppich kehren, sondern offen und regelmässig darüber streiten.
Streiten ist nicht dasselbe wie miteinander reden. Um herauszufinden, worum es bei dem Streit genau geht, benutze ich in meiner Praxis für das Geld verschiedene Begriffe. In einer Lebensgemeinschaft oder Ehe spielt zum Beispiel das Partnergeld eine grosse Rolle.

Klingt ziemlich unsexy. Was ist das?
Partner sollten genau aushandeln, wer was in die Lebensgemeinschaft einbringt, das betrifft vor allem die Bereiche Verdienst, Kindererziehung und Arbeit im Haushalt. Das Geld, das hier im Spiel ist, nenne ich kühles Geld, weil es Gegenstand von Verhandlungen ist. Wenn in einer Beziehung zum Beispiel die Frau mehr arbeitet und mehr verdient als ihr Mann und er dafür zuhause mehr Aufgaben übernimmt, ist das eine Absprache, auf die sich beide berufen können.

Wenn er aber die Hausarbeit nur unwillig tut, weil er sich insgeheim über die Rollenverteilung ärgert, die nicht seinem Weltbild entspricht?
Das ist in der Tat ein Problem. Soll die Beziehung tragfähig sein, so müssen die Aufgaben und finanziellen Beiträge sehr genau festgelegt werden. Wichtig ist, dass das Paar weiss, dass es hier um partnerschaftliche Abmachungen und Gelder geht, über die auch verhandelt werden darf. Dann muss keiner Angst davor haben, dass dadurch die Liebe beschädigt wird.

Über welches Geld lässt sich nicht verhandeln?
Über Liebesgeld, ich nenne es heisses Geld. Es kommt zum Beispiel zum Einsatz, wenn einer dem anderen ein schönes Geschenk macht. Das Liebesgeld ist, wenn man so will, romantisch: Man drückt damit seine Gefühle für den Partner aus. Der Gebende darf aus dem Liebesgeld keine Ansprüche ableiten oder Gegenleistungen fordern. Wenn er später sagt: Ich habe dir doch eine schöne neue Uhr geschenkt, du könntest jetzt öfter die Spülmaschine ausräumen, dann ist die Argumentation schräg, weil die partnerschaftliche Ebene und die Liebe vermischt werden.

Ein Paar hat eine gemeinsame Kasse. Er gibt viel Geld fürs Golfen aus, mehr als sie für ihre Freizeitaktivitäten. Ist es ein Liebesbeweis, wenn sie sein teures Hobby toleriert?
Hier geht es vor allem um die freundschaftliche Ebene in der Beziehung. Das Golf-Geld ist in diesem Fall Freundesgeld, warmes Geld: Man will dem anderen etwas ermöglichen, das ihm guttut oder ihm in seiner Entwicklung hilft. Aber es gilt die Regel: Was für den einen gut ist, darf für den anderen nicht schlecht sein.

Vielleicht hat sie aber das Gefühl, dass sie ihrem Mann mehr entgegenkommt als umgekehrt, dass sie einseitig die Erfüllungsgehilfin seines Wohlbefindens ist.
Dann ist da in der Tat eine Schieflage, und das Thema muss auf den Tisch. Das Freundesgeld beruht auf einem Geben und Nehmen, beide müssen zu ihrem Recht kommen. Es geht hier aber nicht um Verhandeln wie beim Partnergeld, sondern um Wohlwollen. Freundesgeld gibt man dem anderen zuliebe.

Vorstellbar ist auch, dass es der Frau gar nicht um das viele Geld geht, das er für sein Hobby verbrennt.
Ja, unter Umständen ist sie insgeheim gekränkt, weil er so viel Zeit auf dem Golfplatz verbringt und sie allein lässt. Dann ist das Geld nur Vehikel. Eigentlich geht es bei ihr um verborgene Gefühle, die sie vielleicht nicht auszusprechen wagt oder derer sie sich nicht bewusst ist. Hinter der Diskussion über Geld können sehr tiefe Emotionen stecken.

Ein Geldgespräch kann also schmerzlich sein.
Ja. Meist handelt es sich jedoch um Konflikte, die sowieso irgendwann aufgebrochen wären – allerspätestens bei einer Trennung oder im Rosenkrieg. Deshalb rate ich allen Paaren, ihre Beziehung immer auch vom Ende her zu denken: Was passiert, wenn wir auseinandergehen sollten? Wer nimmt im Trennungsfall die Kinder, wer zahlt was? Über diese Dinge sollte man rechtzeitig sprechen und nicht erst, wenn die Fronten verhärtet sind.

Wie sollte man ein Streitgespräch über Geld am besten beginnen?
Hilfreich ist es, erst einmal zu klären, um welche Art von Geld es sich bei dem Konflikt handelt: Partnergeld, Freundesgeld oder Liebesgeld. Wer diese Kategorien anwendet, kann das Thema angemessen angehen.

Lassen sich diese Bereiche denn immer klar voneinander abgrenzen?
Meistens klappt das ganz gut, das weiss ich aus der Beratung, und ich habe das Modell auch an mir selbst getestet. Ich hatte zum Beispiel eine Zeit lang das Gefühl, dass ich für meine privaten Wünsche sehr viel weniger ausgebe als meine Frau für ihre Bedürfnisse. Wir haben die Ausgaben dann alle aufgeschrieben und verglichen. Tatsächlich hatte ich für mich deutlich weniger gekauft. Mir wurde klar, dass ich mir durchaus etwas gönnen darf, also mehr Freundesgeld in Anspruch nehmen kann. Damit war das Thema erledigt.

Wie geht ein Paar damit um, wenn die finanziellen Ziele und Lebenseinstellungen sehr unterschiedlich sind? Die Frau möchte beispielsweise das gemeinsame Haus abzahlen, der Mann für beide teure Ferien buchen – Pragmatismus versus Luxus und Genuss.
Ihm geht es vor allem um die emotionale Liebe, ihr um das partnerschaftliche Projekt des gemeinsamen Hauses. Ein Kompromiss könnte sein, dass ein Teil des Geldes in die Abzahlung des Hauses fliesst, der andere in nicht ganz so teure Ferien. Es muss eine Lösung geben, bei der sich beide gut fühlen. Wenn er sagt, er möchte mit ihr schöne Ferien mit möglichst viel Nähe verbringen, wird sie nicht knallhart auf ihrer Position beharren können. Zoff gibt es häufig auch beim Thema Konsumverhalten. Sie leistet sich das dritte Paar Schuhe in einem Monat, er kauft einen neuen Fernseher für sein Arbeitszimmer, obwohl der alte noch funktionsfähig ist. Wenn beide Schwierigkeiten haben, dem anderen seine Bedürfnisse zuzugestehen, kann ein 3-Konten-Modell sinnvoll sein: eines für gemeinsame Ausgaben und jeweils eines für beide Partner, auf das jeder monatlich denselben Betrag für seine Wünsche überwiesen bekommt. Man kann dann darüber lachen, wofür der andere sein Geld ausgibt, aber man streitet sich nicht mehr.

Diskutieren Paare häufiger über Geld, wenn das Budget schmal ist?
Nein, das kommt in allen sozialen Schichten vor. Wenn das Geld knapp ist, kann die Notwendigkeit des Sparens ein Paar sogar zusammenschweissen. Die Alltagsbewältigung unter schwierigen Bedingungen wird zum gemeinsamen Projekt.

Können Menschen mit einem unterschiedlichen Umgang mit Geld voneinander angezogen sein?
Beeindruckt es den einen, wenn der andere sein Geld akribisch zusammenhält? Ist der andere fasziniert, wenn der Partner mit bemerkenswerter Nonchalance prasst? Das ist eher selten. Auf partnerschaftlicher Ebene funktioniert es besser, wenn beide einen ähnlichen Stil haben, sonst muss man ja immer neu verhandeln. Was den Umgang mit Geld angeht, spielt die Biografie eine Rolle: Wie im Elternhaus mit Geld umgegangen wurde, hat für das spätere Leben einen riesigen Einfluss.

 

Das letzte Tabu

Michael Mary, einer der bekanntesten Paarberater im deutschsprachigen Raum, lebt und arbeitet in Hamburg. Er hat viele Sachbücher über Liebe und Beziehungen veröffentlicht und auch im Fernsehen Paarberatungen durchgeführt. Eben ist sein neues Buch «Liebes Geld. Vom letzten Tabu in Paarbeziehungen» erschienen.

– Piper-Verlag, 272 Seiten, ca. 29 Franken