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Wie ist es eigentlich, wenn der Schwiegersohn Gangsta-Rapper ist?

Leben

Wie ist es eigentlich, wenn der Schwiegersohn Gangsta-Rapper ist?

  • Aufgezeichnet von Reto HunzikerFoto: Tilllate.com

Für uns ist Ivan kein Gangster, sondern ein sensibler und feinfühliger Mann. Also alles andere als das, was man sich unter einem harten Rapper vorstellt.

Nichtsdestotrotz waren wir anfangs natürlich nicht besonders begeistert, dass unsere Tochter mit so einem zusammen ist.

Es begann vor über vier Jahren, als unsere Zwillingstöchter, damals 26, und ihr älterer Bruder eines Abends ein Konzert der US-Hip-Hopper Delinquent Habits in Aarburg besuchten. Als die Band die Bühne betrat, müssen die Scheinwerfer auf unsere Kinder gerichtet gewesen sein. Denn in jenem Moment erblickte Ivan unsere Elena, und während des ganzen Konzerts sah er immer wieder zu ihr hin. Nach dem Auftritt lud er alle drei spontan in den Backstagebereich ein, wo sie sich angeregt unterhielten.

Einige Tage später fuhr Elena nach Wien, um Ivan bei seinem nächsten Konzert wiederzusehen. Und wenn er in der Folge auf seiner Europatournee in Zürich-Kloten zwischenlandete, trafen sie sich jeweils. Wir wussten von alledem nichts. Bis sie uns eines Tages anrief: «Kommt ihr mich am Flughafen abholen? Ich will euch Ivan vorstellen.» Toni sträubte sich: «Du und dieser Rapper? Ich bleib daheim.» Doch dann gab er sich einen Ruck. Am Flughafen trug Ivan Elenas Tasche: kahlrasiert, von Kopf bis Fuss tätowiert, alles andere als ein Beau. «Mein Gott», dachten wir bloss, «und dann lebt er auch noch in Amerika.» Wir konnten es nicht verstehen. Elena war doch so eine Geradlinige, Korrekte …

Ein halbes Jahr später, sie war bereits dreimal bei Ivan in den USA gewesen, fasste Elena einen Entschluss: «Ich möchte wieder bei euch wohnen. Ich muss Geld sparen, denn ich heirate diesen Mann.» Von da an ging sie nie mehr aus, stattdessen telefonierte sie täglich mit ihrer neun Jahre älteren Fernbeziehung. Das ging zwei Jahre so, und in dieser Zeit ist unser Vertrauen in Ivan stetig gewachsen.

Nie liess er Zweifel aufkommen, dass er es ernst mit unserer Tochter meint, immer machte er einen Abstecher in die Schweiz, wenn er in Europa auftrat. Inzwischen sind die beiden seit zwei Jahren verheiratet und leben in Los Angeles. In ihrem Haushalt leben noch zwei Kinder von zwei früheren Partnerinnen sowie Ivans Ex-Schwiegervater. Das barg anfangs Zündstoff, so assen die Kinder nur Fastfood, und sie bewegten sich kaum. Doch Elena biss sich durch und führte ein hartes Regime ein. «Mein Führer» nennt Ivan sie deshalb gern spasseshalber.

Mittlerweile haben auch die Kinder sie schätzen gelernt. Ivan kann von der Musik gut leben, aber das grosse Geld hat er nie gemacht. Obwohl sein einfaches Haus nicht in einem Ghetto steht, sorgt er sich sehr wegen der Kriminalität. Seit er bei einem Konzert angeschossen wurde, ist er übervorsichtig und tritt nicht mehr in den USA auf. «Am Abend, an dem ich auftrete, wird garantiert mein Haus ausgeraubt», ist er überzeugt.

Dem Marihuana, das er einst als Bodyguard der Rapcombo Cypress Hill konsumierte, musste er abschwören. Stattdessen kocht und putzt er nun für Elena. Er weiss, wie man eine Frau verwöhnt. Bis heute haben wir an ihm keinen Haken gefunden, auch wenn er einst auf der Strasse lebte und krumme Dinger drehte. Inzwischen mögen wir sogar seine Musik. Einzig die Tätowierungen finden wir noch immer furchtbar.

Im ersten Jahr begleitete Elena ihren Mann auf Tournee, dann hatte sie davon genug. Heute arbeitet sie als Arztgehilfin bei einem Schönheitschirurgen in Beverly Hills. Bereits machen sich erste Anzeichen einer Veramerikanisierung bemerkbar: Kürzlich hat sie sich von ihrem Chef die Lippen temporär aufspritzen lassen. Dass unsere Tochter Tausende von Kilometern entfernt lebt, ist für uns schlimm. Aber Elena darf nicht mehr zurückkommen, nicht ohne Ivan, sonst ist sie nicht mehr glücklich.