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Solo-Reisen: Wie ich mich der Dunkelheit des Waldes stellte

Reisen

Solo-Reisen: Wie ich mich der Dunkelheit des Waldes stellte

Neues ausprobieren, heilen, Zeit für sich haben: Es gibt viele Gründe für eine Reise allein. In unserer Mini-Serie erzählen annabelle-Redaktorinnen davon. Heute: Produktionschefin Evelyne Emmisberger und ihrer Wildnis-Wagnis in der Schweiz.

Das darf doch nicht wahr sein: Ich muss pinkeln. Könnt ihr euch vorstellen, wie lange man braucht, um im stockdunklen Wald unter eine kniehoch gespannte Plane zu kriechen, sich im Liegen die Schuhe aus- und ein Paar zusätzlicher Wollsocken anzuziehen?

Sich auf einer superschmalen Isomatte in den Schlafsack zu winden und dann endlich eine halbwegs bequeme Schlafposition zu finden? Und das nun noch einmal hin und zurück, kaum hatte ich mich hingelegt. Willkommen im Aussenbezirk der Komfortzone.

Ich befinde mich irgendwo in den Wäldern zwischen Bern und Biel, wir sind sechs Frauen, die im Rahmen des Kurses «Wild Women in the Woods» (190 Fr. plus ca. 30 Fr. für Verpflegung) 24 Stunden im Wald verbringen. Und zwar nicht Preppermässig, wo man einzig mit einem grossen Messer bewaffnet den Kampf gegen die Wildnis und ums eigene Überleben aufnimmt, stets den Untergang der Zivilisation vor Augen.

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«Wir sind hier, weil wir die Natur lieben – und uns nicht so recht getrauen, mal ganz allein da draussen zu übernachten»

Davon sind wir zum Glück so weit entfernt wie eine Schoggibanane von einer gerösteten Heuschrecke. Wir sind hier, weil wir die Natur lieben, uns gern darin bewegen – und uns nicht so recht getrauen, mal ganz allein da draussen zu übernachten.

Unter der souveränen Anleitung von Kursleiterin Claudia Weinmann baut sich jede aus einer Plane und Reepschnüren eine regendichte Unterkunft an einem Platz ihrer Wahl, dann schmoren wir Gemüse in der Glut, rösten Popcorn, backen Eier-Zucchini-Küchlein. Als Erlebnispädagogin und Hochseeskipperin hat die Frau die Ruhe weg und kennt sich aus mit flatternden Nerven und Planen.

Denn noch ist es gemütlich, wie wir gemeinsam am Lagerfeuer schweigen. Noch wärmt die sanfte Glut die Nacht. Die Aussicht, nächstens allein unter einer dieser 9.95-Franken-Planen aus der Landi schlafen zu müssen, verliert ihren Reiz jedoch proportional zur zunehmenden Dunkelheit.

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Was, wenn ich mich auf eine Nacktschnecke setze, sich Horden von Mücken auf mich stürzen, das angekündigte Gewitter über uns hereinbricht? Was, wenn … sich ein Trupp besoffener Waldläufer, ein Serienmörder über mich hermacht? Vielen Dank, Fantasie. Und verflucht sei meine grosse Klappe («Übernachten im Wald? Genau mein Ding!»).

Mit dem ersten Tageslicht wache ich auf, ein unsichtbares Orchester von Vögeln zwitschert euphorisch und eine Nacktschnecke erkundet die Plane direkt über mir. Ich bleibe noch etwas liegen im warmen Schlafsack, geniesse den Moment und schaue hinaus in mein grosses, grünes Schlafzimmer. Serienmörder, der war gut, haha.

Hier könnt ihr alle Texte aus der Miniserie «Solo-Reisen» nachlesen.

Transparenzhinweis: Die Veranstalterin hat die Kosten für den Aufenthalt übernommen. Das Retreat wurde unabhängig ausgewählt, die annabelle-Redaktor:innen berichten jeweils frei und unter Einhaltung der berufsethischen Normen über ihre Erfahrungen.

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