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Netflix-Film «Pamela, A Love Story»: Warum sich die Doku über Pamela Anderson lohnt

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Netflix-Film «Pamela, A Love Story»: Warum sich die Doku über Pamela Anderson lohnt

In der Netflix-Doku «Pamela, A Love Story» erzählt Pamela Anderson erstmals selbst ihre Geschichte. Und das ist richtig sehenswert, findet unsere Autorin Vanja Kadic.

Inhaltshinweis: Sexualisierte und körperliche Gewalt

 

«Baywatch», Popkultur-Ikone, «Playboy»-Star, Sex-Tape mit Tommy Lee. Viel mehr kam mir, ehrlich gesagt, so spontan zu Pamela Anderson nicht in den Sinn, bevor ich mir die neue Netflix-Doku «Pamela, A Love Story» anschaute. Doch was steckt hinter dem Image des Sexsymbols und wie tickt Pam so? Der Film beleuchtet die Geschichte ihrer steilen Karriere, turbulenten Beziehungen und schwierigen Kindheit. Und zeigt sie dabei von einer erfrischend bodenständigen Seite.

Mit Tagebucheinträgen und unzähligen Home-Videos erzählt Pamela in ihrem Elternhaus in der kanadischen Kleinstadt Ladysmith von ihrem verrückten Leben, ihren Erfolgen, ihren Traumata. Immer wenn sie rastlos sei, so wie jetzt, komme sie nach Hause. Ihr Zuhause sei wie ein «Wahrheitselixier» – wenn sie es wieder verlasse, wisse sie, was zu tun sei.

Die Bodenständigkeit kauft man ihr ab

Zu sehen ist eine Pamela Anderson, die im Sonnenhut den Rasen mäht. Oder mit ihrem Mami Rüebli im Garten pflückt. Auch in den Interviews vor der Kamera zeigt sie sich ungeschminkt und mit Augenringen. Sie wirkt sympathisch, vor allem aber kauft man ihr die Bodenständigkeit ab. Man schaut ihr gerne zu, wenn sie zum kleinen Supermarkt in ihrer Heimatstadt fährt, um sich ihre Haarfarbe aus dem Regal zu holen, «Scandinavian Blonde». Pam nimmt sich selbst nicht so ernst. «Mit Ausnahme der blonden Haare, der Brüste und der Plastik-Schuhe ist alles echt an mir», sagt sie etwa.

Die Tochter einer Kellnerin und eines Heizungsmonteurs wuchs in einem turbulenten Haushalt auf: Der Vater war ein Alkoholiker und ihre Eltern stritten sich oft. Auch körperliche Gewalt sei normal gewesen. Die Familie flüchtete einige Male vor dem Vater und lebte von Sozialhilfe. «Dann gab es immer Milchpulver, ich kann es heute noch schmecken», sagt Pam und verzieht das Gesicht.

«Ich machte mir meine eigene Welt»

Nicht nur die Familienverhältnisse traumatisieren sie als Kind: Eine Babysitterin missbraucht Pamela über mehrere Jahre sexuell. Sie habe immer versucht, ihren Bruder vor der Frau zu schützen, erzählt sie in der Doku. Mit zwölf wird Pam von einem 25-Jährigen vergewaltigt. «Wenn mir diese traumatischen Momente passierten, verliess ich meinen Körper und schwebte davon. Ich machte mir meine eigene Welt.»

So träumt sich das Mädchen von der kanadischen Insel irgendwann nach Los Angeles. Nachdem sie in Kanada mit Anfang 20 zufällig bei einem Football-Game inmitten tausender Fans als Werbemodel entdeckt wird, lädt sie der «Playboy» für ein Shooting ein. In der «Playboy»-Mansion angekommen, werden ihre Haare erstmal blond gefärbt. Es ist fast berührend, wenn sie erzählt, dass die «Playboy»-Bilder für sie viel mehr als nur ein Nacktshooting waren.

Nacktbilder als Befreiungsschlag

Denn Pam gelingt ein Befreiungsschlag, als sie für das Männermagazin zum ersten Mal vor der Linse steht: «Als ich jung war, war ich qualvoll scheu und hasste meinen Körper», sagt sie. «Ich spürte so viel Scham für meinen Körper, wegen dem, was mir passiert ist. Es war wie ein Gefängnis, aus dem ich ausbrechen musste. Mit dem ersten Bild, das geschossen wurde, fühlte ich mich zum ersten Mal so, als wäre ich ausgebrochen.» Der «Playboy» sei für sie das Tor in eine andere Welt gewesen. Damit habe sie sich die Macht über die eigene Sexualität zurückgenommen.

Schade und enttäuschend finde ich, dass Pam in der Doku dermassen vom «Playboy» schwärmt und dabei keinen Bezug auf die schweren Vorwürfe gegen den Gründer Hugh Hefner nimmt, die im vergangenen Jahr in der Doku-Serie «Secrets of Playboy» erhoben wurden. In der Serie warfen ihm mehrere Frauen, unter anderem seine Ex-Freundinnen, vor, sie sexuell und psychisch missbraucht und Frauen mit Medikamenten gefügig gemacht zu haben. In Pamelas Erzählungen klingt die Mansion hingegen wie ein Disneyland für Erwachsene.

Nichts als Brüste

Mit Pamelas Erfolg als Playmate werden die Macher:innen von «Baywatch» auf sie aufmerksam. Elfmal lehnt sie ein Vorsprechen ab, ehe sie zustimmt und sich mit der Rolle der «C.J.» Parker weltweit als Sexsymbol und popkulturelle Ikone positioniert. Von Anfang an wird Pam dabei auf ihre grossen Brüste und ihren Sex-Appeal reduziert. «Ich habe einfach mitgemacht», erinnert sie sich in der Doku. «Ich hoffte einfach immer, dass ich irgendwann etwas anderes mache, was die Leute mehr interessiert.»

Zu grossen Teilen geht es in der Doku auch um ihre stürmische – und missbräuchliche – Beziehung mit dem Mötley-Crüe-Schlagzeuger und Vater ihrer beiden Söhne, Tommy Lee. Ihm gab sie 1995 vier Tage, nachdem sie sich kennenlernten, das Ja-Wort in Cancún, Mexiko. Sie im Bikini, er in Badeshorts – und die Trauzeugin war eine Fremde, die sie am Abend zuvor im Club kennenlernten. «Mit Tommy war es eine explosive Herz-an-Herz-mässige Liebe. Wir wussten nichts übereinander und es wurde die wildeste, schönste Liebesaffäre. Es war ein grosser, glücklicher Rausch und wir fühlten uns unbesiegbar.»

Das Sex-Tape mit Tommy Lee war «ein Übergriff»

Pamela wird zum ersten Mal schwanger, während sie an 18-stündigen Drehtagen im Korsett den Film «Barb Wire» dreht, und erleidet eine Fehlgeburt. Kurz darauf wird ihr und Tommy während Bauarbeiten am gemeinsamen Haus ein Safe aus der Garage geklaut. Darin: Das berüchtigte Sex-Tape der beiden, aufgenommen für private Zwecke, wie sie in der Doku mehrfach betont. Bis heute behaupten böse Zungen, dass Pam und Tommy das Tape damals in Umlauf brachten. Vor Gericht wehrt sich das Paar damals gegen die Verbreitung und Monetarisierung der Aufnahmen.

«Es war so ein Übergriff», stellt Pam klar. Im Gerichtssaal hätten die Anwälte ihr immer wieder intime Fragen zu ihrem Sexleben gestellt und ihr deutlich gemacht, dass sie als «Playboy»-Model kein Recht auf Privatsphäre habe. «Ich kriegte das Gefühl, eine furchtbare Frau zu sein, wie ein Stück Fleisch», so Pamela. «Der Playboy war für mich ermächtigend. Dieser Fall fühlte sich an wie eine Vergewaltigung. Wie als dieser Typ mich in meiner Kindheit angriff – da fürchtete ich, dass es alle wissen. Als das Tape gestohlen wurde, fühlte es sich genauso an. Es hat mich absolut vernichtet.»

Pamela wurde zur Witzfigur

So hätte bei ihr die Hulu-Verfilmung des Falls, die im vergangenen Jahr erschien, erneut für Albträume gesorgt. Denn durch das Sex-Tape mit Tommy sei Pamela zur öffentlichen Witzfigur geworden. «Ich war der Gag in jeder TV-Show, es war furchtbar. Man wird zur Karikatur. Ich wusste, dass meine Karriere vorbei ist, und musste eine neue aus dem machen, was übrig geblieben ist.» Weder das Sex-Tape noch die Hulu-Serie darüber habe sie sich je angeschaut.

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Die Liebe zu Tommy Lee ist nie erloschen

Es ist überraschend zu sehen, wie Pamela heute zu Tommy Lee steht. Im Film wird deutlich: Ihre Liebe zu ihm ist nie erloschen – trotz der Gewalt, die er ihr angetan hat. Ehemalige «Baywatch»-Crewmitglieder erzählen in der Doku, dass der Musiker extrem eifersüchtig und konstant am Set dabei war, wenn sie arbeitete. Als Pam einen Co-Star vor der Kamera küsst, zerstört er aus Wut ihren Trailer. Bei einem Streit verliert Tommy schliesslich komplett die Kontrolle und attackiert sie, während sie den gemeinsamen Sohn auf dem Arm trägt. Tommy muss ins Gefängnis, die Ehe ist am Ende.

Trotzdem sagt sie heute in der Doku zu ihrem Sohn Brandon: «Ich liebte deinen Vater aus all den richtigen Gründen. Und ich glaube nicht, dass ich je jemand anderen geliebt habe.» Dennoch ist es eine komplizierte Liebe. «Ich bin lieber alleine als nicht mit dem Vater meiner Kinder. Aber zusammen sein könnte ich mit Tommy auch nicht. Es ist wie eine Bestrafung.» Sie sagt selbst, dass sie ihre eigene Vergangenheit romantisiert hat – das wird im Film immer wieder deutlich.

«Manchmal weiss ich nicht, ob ich lebe oder tot bin»

Gleichgültig und fast schon abgelöscht erzählt Pamela gleichzeitig von Dan Hayhurst, mit dem sie zum Zeitpunkt des Doku-Drehs noch verheiratet war. «Er ist ein normaler, guter kanadischer Typ. Ich hatte das Gefühl, ich muss das vielleicht ausprobieren», so Pam. Und fügt an: «Manchmal weiss ich nicht, ob ich lebe oder tot bin.» Von Hayhurst ist sie mittlerweile nach einem Jahr Ehe bereits wieder geschieden, es war Ehe Nummer sechs mit Ehemann Nummer fünf.

«Pamela: A Love Story» ist ein sehr sehenswertes und erfreulich authentisches Porträt über eine faszinierende Frau. Mir gefällt, dass der Film ihre verschiedenen interessanten Facetten beleuchtet, die über «Baywatch» oder das Sex-Tape hinausgehen. Zum Beispiel, dass sie sich ihr Leben lang nie wirklich um ihre Finanzen kümmerte («Ich wollte immer nur, dass meine Kreditkarte funktioniert und ich meine Nägel machen lassen kann!»), wie stark ihre Beziehung zu ihren Kindern ist oder wie sie sich ihr Image als Sexbombe für Tierschutzkampagnen zunutze macht.

Pam erzählt in «Pamela, A Love Story» erstmals ausführlich ihre eigene Geschichte, und die Macher:innen der Doku setzen den Rahmen dafür einfühlsam. Schön, dass sich ein Star so verletzlich und offen zeigt, ohne dabei auf Traumata reduziert und als tragische Figur abgestempelt zu werden – schon alleine dafür lohnt sich der Film.

«Pamela, A Love Story» ist jetzt bei Netflix verfügbar.

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