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Netflix-Serie: Warum ihr euch «Harry & Meghan» sparen könnt

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Netflix-Serie: Warum ihr euch «Harry & Meghan» sparen könnt

  • Text: Vanja Kadic
  • Bild: Prince Harry and Meghan, The Duke and Duchess of Sussex

«Harry & Meghan» belegt Platz 2 der Schweizer Netflix-Charts. Redaktorin Vanja Kadic findet, dass sich das Paar mit der Doku keinen Gefallen getan hat – und die Produktion ein einziger Flop ist.

Kaum eine Doku sorgte dieses Jahr für mehr Schlagzeilen als «Harry & Meghan». Die sechsteilige Serie polarisiert – und sorgt sowohl bei Kritiker:innen als auch bei Fans des Paares weltweit für Aufregung. Schon nur für den ersten Trailer wurde das Ehepaar verrissen, weil Netflix dafür Paparazzi-Aufnahmen verwendete, die gar nichts mit Prinz Harry und Meghan Markle zu tun hatten.

Ich bin kein Fan von Meghan und Harry, wollte mir aber natürlich ein eigenes Bild der Serie machen und war interessiert daran, was das Paar zu sagen hat. Denn die Doku verspricht mit nie zuvor gesehenen persönlichen Aufnahmen einen exklusiven – und durchaus reizvollen – Einblick in das Privatleben der beiden. Mit der Dokuserie wolle das Paar seine komplexe Reise in seinen eigenen Worten teilen, heisst es in der Beschreibung.

«Was zur Hölle ist passiert? Wie sind wir hier gelandet?»

Dafür zeichneten sich die beiden selbst von 2020 bis August 2022 mit dem Handy auf. So beginnt die Doku mit einer Selbstaufnahme von Prinz Harry im März 2020 in der Windsor Suite am Flughafen Heathrow. Er und Meghan haben gerade ihre letzten royalen Verpflichtungen hinter sich gebracht. «Was zur Hölle ist passiert? Wie sind wir hier gelandet?», fragt Harry. Zwei Monate zuvor hatten er und Meghan ihren Rücktritt als hochrangige Royals bekannt gegeben.

Es folgt eine Szene von Meghan, ohne Make-up und mit Badetuchturban in ihrem Bad. Sie verzieht das Gesicht, als würden ihr die Tränen kommen. In der Doku gibt es mehrere Szenen, in denen sich Meghan verletzlich zeigt – oder zumindest so tut als ob. Denn auf mich wirken diese Momente leider wahnsinnig gekünstelt. Als wolle Meghan auf Biegen und Brechen Nähe zur Zuschauerin schaffen. Es wirkt wie ein Schauspiel, das dazu dient, im Gegenüber Mitleid auszulösen – zum Beispiel, wenn sie ein Gedicht rezitiert, das sie mit 13 über die Scheidung ihrer Eltern geschrieben hat. So, als wolle sie sich immer wieder als Opfer positionieren.

Rassismus und bösartige Schlagzeilen

Und ja, es stimmt – vor allem Meghan ist zu einem grossen Teil Opfer geworden: Eines der Hauptthemen der Dokuserie ist Rassismus, den das Paar vor allem den britischen Boulevardmedien vorwirft. Meghan erklärt, dass sie in ihrer Kindheit und Teeniezeit nicht wusste, wo sie sich zugehörig fühlt. Die ehemalige «Suits»-Schauspielerin, die eine Schwarze Mutter und einen weissen Vater hat, galt entweder als zu weiss oder zu Schwarz. «Die meisten Menschen behandelten mich nicht als Schwarze Frau», sagt sie. Erst an der Seite von Prinz Harry habe sich dies geändert.

Die rassistischen und bösartigen Schlagzeilen wurden so schlimm, dass Prinz Harry 2016 aus Angst um Meghans Sicherheit in einem öffentlichen Statement darum bat, sie nicht zu bedrängen. Speziell in Grossbritannien gebe es viel unbewusste und tief verwurzelte rassistische Denkmuster, erklärt Harry in der Doku. Auch er selbst habe durch seine Beziehung mit Meghan diese Muster erkannt und sei heute antirassistisch. Dass Meghan Opfer von rassistischen Angriffen und teils unterirdischen Schlagzeilen wurde, ist nicht zu entschuldigen und verdient Mitgefühl.

Eine märchenhafte und langweilige Liebesgeschichte

Aber der Kern der Geschichte soll in der Serie vor allem die Lovestory der beiden sein: Harry und Meghan inszenieren sich in der Doku als absolutes Traumpaar, das nun endlich sein Happy End gefunden hat. Dieses Bild, diese märchenhafte Liebesgeschichte wirkt so sorgfältig kuratiert und glattpoliert, so langweilig unrealistisch, dass mir jegliche Lust daran vergeht, den beiden weiter zuzuschauen.

Spannend sind höchstens die Momente, die im Kontrast zur Happy-Family-Fassade irgendwie strange wirken. Etwa, wenn Prinz Harry sich neben Meghan immer wieder klein macht und Dinge sagt wie: «Aus meiner Familie waren manche überrascht. Vielleicht, weil ein Rothaariger bei einer so wunderschönen und intelligenten Frau landen konnte.» Oder wenn er sich die Schuld daran gibt, dass Meghan und ihr Vater Thomas Markle keinen Kontakt mehr miteinander haben: «Wäre ich nicht gewesen, hätte sie heute noch einen Vater.»

Zu dramatischer Geigenmusik schildern Meghan und Harry, wie sie am Anfang eine Fernbeziehung führten und vor allem Meghan «ständig» zwischen Kanada und England pendeln musste. «Ich weiss nicht, wie wir es geschafft haben, aber wir haben es geschafft», sagt Harry und vergisst offenbar, dass er und Meghan über die nötigen Ressourcen für eine transatlantische Fernbeziehung verfügten. Soll man jetzt als Zuschauer:in Mitleid mit ihnen haben?

Harrys Sonnenuntergang-Pics hauten Meghan um

Es gibt Momente, in denen ich fast lachen muss, weil ich mich frage, wer ihnen mache Aussagen ernsthaft glaubt: zum Beispiel, wenn Meghan sagt, dass sie Harry vor dem Kennenlernen wirklich nicht gegoogelt habe. Stattdessen habe sie sich nur seinen Instagram-Feed angeschaut, wo sie seine «wunderschöne Fotografie» und die vielen «Naturaufnahmen» umgehauen hätten. Der entscheidende Faktor, ihn zu daten, waren also seine Sonnenuntergang-Pics aus Afrika und nicht der Fakt, dass er Prinz Harry ist. Sure.

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Mich nervt, dass die beiden Dinge von sich lassen, die einfach unrealistisch sind. Meghan wird nicht müde zu betonen, dass sie ja wirklich gar nicht gewusst hätte, was als Harrys Partnerin alles auf sie zukommen könnte. Zum Beispiel trug sie eine zerrissene Jeans und war barfuss, als sie Herzogin Kate und Prinz William kennenlernte, und umarmte sie zur Begrüssung.

Ich kann mir schlicht nicht vorstellen, dass Prinz Harry sie vor diesem spezifischen Treffen und vor allen anderen royalen Verpflichtungen nicht über die angemessene Etikette informiert hat, um sie zu unterstützen. So sagt Meghan paradoxerweise selbst: «Harry versuchte mich darauf vorzubereiten, wie es sein könnte – er hatte schliesslich schon Erfahrungen in der Vergangenheit gemacht.» Warum also behauptet sie immer wieder, dass sie wirklich absolut keine Ahnung hatte?

Leicht verdauliche und idyllische Aufnahmen von Meghan

Ich störte mich vor allem daran, wie Meghan inszeniert wird – oder sich selbst inszenieren lässt. So sehen wir sie ausschliesslich in leicht verdaulichen, idyllischen Aufnahmen wie mit umgeschnalltem Baby beim Füttern der eigenen Hühner, beim Rosenpflücken und, endlos lang und immer wieder, beim Aufzählen ihrer Leistungen. In der Tat, ihr Lebenslauf ist eindrücklich: Sie hat ein Diplom in Theater und internationalen Beziehungen, eine erfolgreiche Karriere als Schauspielerin hinter sich und war, schon bevor sie Prinz Harry kennenlernte, für zahlreiche Charity-Projekte tätig. Schön und gut. Nur: In der Doku fühlte ich mich teilweise, als würde ich mir Meghans Bewerbungsvideo anschauen.

So porträtiert sie sich selbst als Aktivistin, die sich schon als Kind politisch einsetzte und mit einem Brief an einen Waschmittelhersteller gegen eine sexistische Werbung kämpfte. Und der Lifestyle-Blog «The Tig», den sie früher betrieb, ist nicht nur ein cooles Hobby, sondern war laut Meghan natürlich ein «successful Business». Die zahlreichen Bilder, die Meghan mit Kindern in Ruanda oder Indien zeigen, hinterlassen bei mir ein komisches Gefühl. Vor allem wenn sie in der Doku sagt, dass sie zwischen Drehterminen in ihrer «Freizeit einfach nach Indien» fliegen wollte, «um zu helfen»: «Ich wollte nie den nächsten guten Indie-Film finden, der mir einen Oscar verschafft. Ich wollte einfach nur ehrenamtlich arbeiten!» Diese ausgedehnte Selbstbeweihräucherung ist mir too much.

Das ist eines der Hauptprobleme an der Netflix-Produktion: Man kommt vor allem Meghan nicht besonders nahe, was sehr schade ist. Die Doku dient eher als eine Art Bühne, um, auf sehr plumpe Art, zu zeigen, wie wahnsinnig selbstlos, fantastisch und empathisch Meghan ist. Doch echt wirkt dieses Bild nicht. Dafür sind die Szenen zu distanziert, zu gebügelt.

Harry vergleicht Meghan konstant mit Prinzessin Diana

Spürbarer hingegen ist Prinz Harry. Seine Dringlichkeit, aus London zu flüchten und die Royals zum Wohle seiner Frau und seiner Kinder zu verlassen, wird in der Serie deutlich. Es ist ehrlich traurig, wenn Prinz Harry von Prinzessin Diana und dem Trauma, das er vom tragischen Tod seiner Mutter davontrug, erzählt.

Auffällig und, zumindest für meinen Geschmack, sehr seltsam ist, wie sehr er die Persönlichkeit und die Lebensumstände seiner Ehefrau konstant mit denen von Diana vergleicht: «Meghan ist meiner Mutter so ähnlich. Das gleiche Mitgefühl, die gleiche Empathie, das gleiche Selbstvertrauen und die gleiche Wärme», sagt Harry etwa. «Ich musste alles tun, um meine Familie zu beschützen. Besonders nach dem, was meiner Mutter zugestossen ist. Ich wollte nicht, dass sich die Geschichte wiederholt.»

100 Millionen Dollar für den Netflix-Deal

Warum lassen Harry und Meghan in der Doku überhaupt in ihr Leben blicken? Es sei nicht angenehm, sagt Meghan. Aber: «Macht es nicht mehr Sinn, unsere Geschichte von uns zu hören?» Ein fairer Punkt. Nur: wie oft noch?

Ich konnte es nachvollziehen, als das Paar im März 2021 bei Oprah Winfrey ein grosses Interview zum Royal-Rücktritt gab, um seine Sicht der Dinge darzulegen. Endlich der ganzen Welt erzählen zu können, was die genauen Beweggründe waren, um dem Palast den Rücken zu kehren, und offenzulegen, welche rassistischen und sexistischen Strukturen hinter den Kulissen herrschen. Dass sie für das zweistündige Interview damals Häme und Hass einstecken mussten, weil sie doch angeblich endlich Privatsphäre wollten, fand ich daneben. Sie taten mir im Gespräch mit Oprah, in dem Harry etwa über sein schwieriges Verhältnis zu König Charles und Meghan über ihre Suzidgedanken sprach, sogar leid.

Aber mittlerweile kaufe ich Meghan und Harry das «Wir wollen doch endlich einfach nur unsere Geschichte erzählen» nicht mehr ab. Es wäre naiv zu glauben, dass es nur darum geht: Fakt ist, dass ihr Redebedarf vor allem lukrativ ist. Allein für den Deal mit Netflix sollen Meghan und Harry zwischen 100 und 150 Millionen Dollar erhalten haben. Im Januar kommt Harrys Biografie «Spare» auf den Markt, eines von drei Büchern, die im Multi-Buch-Deal mit Penguin Random House erscheinen. Dafür erhält Harry je nach Quelle zwischen 20 und 45 Millionen Dollar.

Der Serie fehlt es an Authentizität

Zudem ist es nicht so, als hätte das Paar – zumindest in den bereits veröffentlichten ersten drei Folgen – neue, relevante Informationen geteilt. Sich vom Palast loszureissen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen, verdient Respekt. Und ja, die britische Monarchie ist klassistisch und rassistisch und es gibt wahrlich vieles, was man daran kritisieren kann (Prinz Andrew zum Beispiel, dem trotz schwerer Missbrauchsvorwürfe nie irgendwas passiert ist). Mit der Netflix-Doku haben sich Meghan und Harry aber keinen Gefallen getan.

Der Serie fehlt es an Authentizität und es ist eine verpasste Chance, das Paar von einer neuen, echteren Seite zu sehen. Vielleicht liegt es an mir, aber mich berührt es nicht, wenn Meghan sich auf einer Hermès-Decke bedeutungsschwanger die Augen reibt. Ich habe das Gefühl, dass die Doku mir Mitleid mit Meghan und Harry aufzwingen wollte, und das stört mich.

Es hätte der Serie gut getan, sie mit einigen Szenen zu ergänzen, die sich nicht so aalglatt anfühlen. Vielleicht hätte Regisseurin Liz Garbus teilweise kritischer nachfragen können. Wie sieht ihr tägliches Leben nach dem Rückzug aus dem Palast aus? Worüber streitet sich das Paar, das alles gemeinsam macht? Inwiefern haben sie heute noch mit den Folgen des Rücktritts zu kämpfen? Wie ist der Kontakt zu ihren Familien? Ich hätte gerne gesehen, wie Harry und Meghan wirklich sind und wie sie leben. Netflix hat da leider zu viel versprochen.

Die nächsten drei Folgen erscheinen am 15. Dezember bei Netflix.

 

Redaktorin Marie Hettich ist anderer Meinung. Warum sie findet, dass die kollektive Aufregung um Harry und Meghan nervt, lest ihr hier.

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Coco

Ob es hinter den Palastmauern rassistisch und sexistisch zugeht, wissen wir nicht. Auch Vanja Kadic nicht. Das sagen M&H.

Bettina

Während ich auf der Suche nach konstruktiver Kritik an der besagten Netflix Dokuserie war, traf ich auf diesen Artikel.
Schon nach wenigen Sätzen musste ich mir die Frage stellen, ob es hier noch um Harry und Meghan geht oder sich der Artikel aus einer schlechten Laune heraus ergeben hat. Allenfalls gehört er meiner Meinung nach, wohl zu den schlechtesten die ich je gelesen habe, sodass ich den Drang verspüre meine Meinung zu der Serie kundzutun und mein Kommentar zu dem Artikel abzugeben.

Die Serie wirkte auf mich so authentisch wie eine Netflix Serie nun einmal sein kann, sie fühlte sich für mich nicht „aalglatt“ an und auch die Liebesstory der beiden finde ich doch sehr realistisch dargstellt wenn man bedenkt, dass sie sich erst 6 Jahre kennen. Es würde mich doch recht erschüttern wenn in einer Ehe schon in den ersten Jahren solche Probleme und Streitigkeiten auftauchen würden, dass man sie in einer Dokumentation thematisieren muss. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, man muss nicht streiten um eine glückliche Beziehung zu führen, ab und zu passt es einfach. Ich kaufe Harry und Meghan zu 100% ab, dass sie sich gefunden haben, andernfalls würde man seine Familie wohl nicht zurück lassen.

Ich denke auch Menschen mit Hermes Decke darf es schlecht gehen, Geld bewahrt uns nicht vor Depressionen und vor den Schwierigkeiten des Lebens. Eine Hermes Decke ist nun einmal nicht wärmer, als eine NoName Decke. Hören wir doch endlich damit auf, zu glauben wohlhabenden Menschen geht es besser. Diese Menschen haben ganz einfach andere Herausforderungen im Leben. Sie müssen sich keine Gedanken darüber machen wie teuer doch das Brot geworden ist, dafür stehe ich vor meinem Fenster und schaue auf die Wolken hinauf ohne durch ein Blitzlichtgewitter zu erblinden.
Abgesehen davon muss man sagen, dass sich Meghan selbst finanziellen Reichtum erarbeitet hat und sie sich für ihr Geld je nach Belieben jede Decke der Welt kaufen darf.

lutz

Diese ständige Selbstbeweihräucherung fand ich auch ganz schlimm, we get it, ihr seid ja so empathisch und selbstlos. Und diese theatralische Musik die ganze Zeit, ciao.

Stanze

Vielen Dank für diese schöne Inhaltsangabe. Ich habe mich beim Lesen dieses Artikels sehr amüsiert und kann mir vorstellen, dass ich es ähnlich empfunden hätte. Ich hab Harry & Meghan nicht gesehen und bereue es nicht!