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Review zu «And Just Like That»: So kam das «Sex and the City»-Comeback bei uns an

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Review zu «And Just Like That»: So kam das «Sex and the City»-Comeback bei uns an

«Sex and the City» ist zurück! Wir haben uns die ersten beiden Folgen der Fortsetzung angeschaut und verraten euch, wie wir den Auftakt von «And Just Like That …» fanden. (Aufgepasst, der Text enthält Spoiler)

Achtung, der Text enthält Spoiler!

 

Chefredaktorin Jacqueline Krause-Blouin

Ich musste mich ehrlich gesagt fast komplett aus der Zivilisation zurückziehen, um nicht gespoilert zu werden. Und dann, was passiert? Mein Mann – ausgerechnet – zitiert einen Artikel aus der New York Times «Krass, die Peloton-Aktie ist um 11% gesunken, nur wegen Mr. Bigs Tod». (Nächste Mal, wenn er wieder zeitversetzt ein Spiel der Boston Red Socks schaut, werde ich nachts den Spielausgang googeln. Aber das ist eine andere Geschichte.) And just like that… hab ich mich endlich wieder so wohlig, warm, entspannt gefühlt, wie bei keiner anderen Serie seit «Sex and the City». Und was passiert? Alle haten! Natürlich, Reboots sind wie Silvester – man erwartet zu viel, man wird enttäuscht. Aber ich war einfach nur glücklich, wieder von Carrie, Miranda und Charlotte (oder was von ihr übrig geblieben ist) umgeben zu sein. Samanthas Abwesenheit ist fast eine eigene Figur.

Ein bisschen cringe, ein bisschen zu verkrampft divers, teilweise nicht ganz stringent: Es ist auch bei «And Just Like That …» einfach, Schwächen zu finden. Aber das scheint derzeit in unserer Gesellschaft bedauerlicherweise unser einziges Ziel zu sein. Nun, was soll ich sagen: Ich habe zwei Folgen durchgeheult. Nervig, dass über Mirandas graue Haare aber nicht über Charlottes operiertes Gesicht gesprochen wird, ein bisschen peinlich, wie Carrie über Instagram sinniert, – aber: die Figuren, die ich in vor über 20 Jahren (!) liebgewonnen habe, berühren mich immer noch. Teilweise war der Humor fast so pur wie bei der ersten Staffel und alles insgesamt weniger überproduziert als etwa in den «SATC»-Filmen. Ich schaue – und weine – also definitiv weiter. Und stelle fest, dass ich bei dieser Serie einfach nicht objektiv kritisch bleiben kann. Vielleicht auch, weil sich das Wiedersehen mit Carrie und Co. wie ein Date mit meinem Teenage-Ich anfühlt.

Stellvertretende Chefredaktorin Kerstin Hasse

Was ich nie ganz verstehen werde bei Serien-Comebacks wie «And Just Like That …» oder dem «Gilmore Girls»-Comeback «A Year in the Life», ist die Tatsache, dass die Drehbuchschreiber:innen nicht am alten Erzählrhythmus anknüpfen. Stattdessen versuchen sie in jede Minute jeder Szene von jeder Folge so viele Informationen und Referenzen zu packen wie irgend möglich. Das Resultat sind völlig überladene Dialoge, denen es an Leichtigkeit fehlt – und genau diese Leichtigkeit machte den Zauber der Originalserie doch aus. In «And Just Like That …» wird die alte Schreibregel «Show, don’t tell» komplett ignoriert. ALLES wird erklärt und ausformuliert.

Nehmen wir die Abwesenheit von Samantha (Kim Cattrall): Hätte man es nicht einfach mal in der ersten Folge bei der Information belassen können, dass die drei Freundinnen nichts mehr von ihr hören? Hätte man nicht einen Spannungsbogen aufbauen können, der nicht verlangt, dass Carrie und Miranda ein völlig gestelltes Gespräch darüber führen, warum Sam jetzt in London wohnt? Ich hoffe sehr, dass die kommenden Folgen ein wenig entspannter werden. Wir haben die Figuren nun wieder getroffen, wir kennen ihre Sorgen, Probleme und grauen Haare, jetzt darf doch aber auch das alte «SATC»-Flair mal wieder aufkommen. Mit mehr Fashion, mehr Sex – und mehr Humor.

Redaktorin Sandra Brun

Hach, war das schön, als bekannt wurde, dass wir die «Sex and the City»-Girls wieder zusammen sehen werden – und doch fehlt Samantha wahnsinnig. Denn die verbleibenden drei Charaktere wurden in abstruse Richtungen weitergesponnen: Plötzlich zeigt sich, dass Carrie imfall total verklemmt ist. Sie ist die ältere, weisse cis-Frau, die nur kichern kann, wenn sie bildhaft über Sex sprechen, schon nur die Namen gewisser Körperteile laut aussprechen oder über Masturbation reden soll. Will dann aber plötzlich Mr. Big bei Letzterem zusehen (ich hätte gut ohne das Bild des masturbierenden Mr. Big leben können, just saying). Und das ist nicht da einzige Problem an «New Carrie», denn sie hat zwar jetzt Instagram, tut aber so, als wäre sie ein Boomer (die Ich-filme-den-modischen-Typen-Szene!). Und sie hat zwar jetzt einen Podcast, aber offensichtlich keine Ahnung davon, wie Podcasts funktionieren. Die Klischee-Schleuder geht aber noch weiter: Charlotte ist leider nach wie vor nicht der Inbegriff von Wokeness («Woke Charlotte» wäre zu gut gewesen in der echten Welt). Sie zwingt ihre Skater-Tochter auch in ein blumiges Kleid, obwohl diese nichts davon hält und drängt Miranda dazu, ihre grauen Haare doch bitte wieder rot zu färben.

Doch am meisten enttäuschte mich Miranda. Badass-Miranda wurde für «And Just Like That» zu einer dümmlichen, uninformierten, technophoben Mittfünfzigerin. Sie ist null im Bilde über aktuelle Themen, muss sich für ihre erste Schulstunde Mut antrinken (gut, nachdem ich die Szene gesehen habe, hätte ich zuvor auch was trinken müssen, um Mirandas Auftritt auszuhalten) und macht sich selbst klein. Schade, da hätte ich mir ganz andere Entwicklungen gewünscht: Carrie mit eigenem Sex-Podcast, eine aufgeklärte, informierte Charlotte und eine aktivistische Miranda (Cynthia Nixons Politikkarriere wäre vielleicht eine gute Inspo gewesen?).

Redaktorin Vanja Kadic

Die erste Folge habe ich fast nicht ausgehalten. In zu vielen Szenen überkam mich die absolute Fremdscham: Miranda ist lauthals überrascht, dass ihre Schwarze Professorin Braids trägt und schafft es im gleichen Atemzug, eine Person zu misgendern. Ex-Sex-Kolumnistin Carrie fällt vor Verklemmtheit fast in Ohnmacht und murmelt hilflos, als man sie in ihrem Podcast fragt, ob sie masturbiert. Und Mr. Big ist plötzlich die durchgehend bestgelaunteste, most bubbly Person auf der Erde und singt Todd-Rundgren-Songs. Für den grössten Cringe-Faktor sorgte in den ersten beiden Folgen aber vor allem der Woke-Streuer, mit dem scheinbar jede einzelne Szene kräftig gewürzt wurde: Als das «SATC»-Comeback bekannt gegeben wurde, fragten sich viele Zuschauer:innen zu Recht, ob die Story überhaupt zeitgemäss erzählt werden kann – wirken die Original-Folgen im Bezug auf Themen wie Sexismus, Rassismus oder sexuelle Orientierungen doch heute deplatziert und unsensibel.

Für die Neuauflage haben sich die Macher:innen die Kritik zu Herzen genommen. Der Cast ist diverser und Themen wie Geschlechtsidentität, Altersdiskriminierung oder Anti-Rassismus wurden integriert. Das ist sehr toll und sehr wichtig. Doch irgendwie setzen die Serien-Autor:innen hier auf Quantität statt Qualität: Statt die Inklusivität organisch in die Story und Figuren einfliessen zu lassen, wirkt vor allem die erste Folge wie ein krampfhaftes Unterjubeln von Wokeness. Um – sehr hölzern – zu zeigen: Schaut, wir haben es begriffen, wirklich!!! So kann Podcast-Host Che Diaz (gespielt von Sara Ramírez) nicht einfach eine nonbinäre Figur sein, sondern es wird gefühlt 145 Mal betont. Das ist schade, denn die Repräsentation wirkt dadurch aufgesetzt und seltsam. Mein Fazit: Die «SATC»-Figuren wiederzusehen, ist schön, die Serie ist endlich sensibler – aber der Cringe-Faktor hoch.

Lifestyle-Praktikantin Irina Eftimie

Okay, sprechen wir über den Elefanten im Raum: Mr. Big ist tot. Storytelling-technisch keine schlechte Idee. Die Art und Weise, wie dieser Tod aber dargestellt wurde, ist, wie so vieles in diesem «Sex and the City»-Revival, ziemlich enttäuschend. Abgesehen vom extrem offensichtlichen Product Placement durch den US-Fitnesshersteller Peloton (… und dann noch die dazugehörige Werbung), ist die Todesszene schon von Weitem absehbar. John Preston aka Mr. Big schwitzend und keuchend auf seinem Fahrrad, die Musik, die SMS; alles deutet darauf hin, dass gleich etwas Schlimmes passieren wird.

Als Carrie ihren sterbenden Ehemann dann findet, macht sie was? Ruft sie die Ambulanz? Versucht sie ihn zu reanimieren? Bringt sie ihn in die stabile Seitenlage? Nein! Sie zieht den zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Big in die Dusche und steckt ihm erst mal die Zunge in den Hals. Und dann fängt sie an zu weinen. Und just like that, hinterlässt eine Szene, die wohl den Rest der Serie oder zumindest der ersten Staffel bestimmen wird einen bitteren Nachgeschmack. Wie enttäuschend. Hoffen wir mal, dass die Serie nur ein paar Anlaufschwierigkeiten hat und bald ihren Rhythmus findet.

Reportagen-Praktikantin Jana Schibli

Wo sind die pinken Gummihandschuhe?? Der Jumpsuit von Jean Paul Gaultier, der aussieht wie ein Anzug? Wie so viele hatte ich die unzähligen Paparazzi-Bilder von Sarah Jessica Parkers kontroversen neuen Outfits als Carrie Bradshaw gesehen, die seit Monaten regelmässig ins Internet gelangen und dort sogleich zerfetzt werden. Und war irgendwie doch enttäuscht, als die Looks der ersten zwei Folgen ziemlich ernüchternd daherkamen. Outfits mit wirklichem Nachahmpotential fehlten bisher (ausser, wir kleiden uns bald alle wie E.T., was ich natürlich befürworten würde). Die übergrosse Brille mit dem Blaulichtfilter, der Touri-mässige «New York City»-Merch und die pandemisch angehauchten Glitzerhandschuhe werden es wohl nicht. Und Carries Hochzeitsmanolos und die Kamelienbrosche waren für mich das modische Äquivalent einer herzlichen Umarmung, die sehr schnell einer kalten Dusche (wink, wink) weicht.

Doch wer weiss, wie die nächsten Folgen aussehen? In der Zwischenzeit suche ich lieber bei der Überfrau Lisa Todd Wexley Inspiration, die Statement-Schmuck und The Row trägt. Oder beim Typen mit dem Balenciaga-ähnlichen Hut und dem «I love Nueva York»-T-Shirt, den Carrie für ihren Instagram-Account fotografiert. Er ist wahrscheinlich ein Modestudent mit hundertfünfzigtausend TikTok-Followern. Und vielleicht die nächste Carrie Bradshaw?

«And Just Like That …» ist auf Sky Show erhältlich. 

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