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Gefängnisalltag: Wenn einen der Heisshunger plagt

Leben

Gefängnisalltag: Wenn einen der Heisshunger plagt

  • Text: Dalma Aebischer; Foto: Gabi Vogt

Dalma Aebischer sitzt wegen Kindesentführung eine mehrjährige Haftstrafe in der Strafanstalt Hindelbank ab. In ihren Briefen berichtet sie für uns regelmässig aus dem Gefängnisalltag.

Punkt 21 Uhr ist der Einschluss an Wochentagen. Gleich danach beginnt die Zeit der Begierden – schon wieder geht es in der Fernsehwerbung nur ums Essen. Eine Frau mit hüftlangen Haaren beisst in die neuste Magnum-Glace mit Caramelgeschmack. Die Schokoladenhülle knackt verführerisch. Meine einsame Zelle füllt sich mit Sehnsüchten: Schokoriegel, Pizza, Mozarella, Wurst, Backwaren…

Ich bitte meinen Mann, mir ein Paket zu schicken. Erlaubt sind zweimal vier Kilo pro Monat. Früchte und Gemüse sind okay, Getränke nicht. Auf das neuste Cola mit Vanillegeschmack aus der Fernsehwerbung muss ich also verzichten. Die Kühlkette darf nicht unterbrochen werden – Käse und Wurst fallen deshalb auch aus. Ich träume von mit Mandeln gefüllten Oliven, doch keinesfalls dürfen es diejenigen im Glas sein, nur Plastikverpackungen sind erlaubt. Backwaren kommen nicht durch die Kontrolle, sogar eine in Plastikfolie eingeschweisste Linzertorte landete im Abfall. Dass man nichts Angebrochenes schicken darf, verstehe ich. Die strengen Bestimmungen sollen dem Drogenschmuggel vorbeugen und verhindern, dass die Ware verdirbt. Manchmal scheint es jedoch auch Ermessensspielraum zu geben. Vakuumverpackter Kaffee kam bei mir nicht durch die Kontrolle, bei anderen Frauen hingegen schon.

Ich habe eine ausführliche Liste erstellt. Die Tage des Wartens sind lang. Doch dann sehe ich im Büro auf dem Tisch einen durchsichtigen Abfallsack, der schon andere hungrige Blicke auf sich zieht. Sofort erkenne ich die Oreo-Biskuits darin. Das ist mein Päckli! Der durchsichtige Abfallsack ist Pflicht – angeblich eine Massnahme zur Vorbeugung gegen den Drogenschmuggels. Meine Begeisterung erhält einen Dämpfer – selbst den heiss ersehnten Leckereien wird hier eine hässliche Hülle verpasst.

Dalma Aebischer (Name geändert) wurde wegen qualifizierter Freiheitsberaubung und Entführung sowie Erschleichung einer Falschbeurkundung verurteilt.

Ein Porträt über sie und die Hintergründe ihrer Tat finden Sie hier.

Die älteren Briefe aus dem Gefängnis finden Sie hier:

Nr. 1. Der erste Tag

Nr. 2: Arbeit

Nr. 3: Tischordnung

Nr. 4: Knastkost

Nr. 5: Alltag in der Zelle

Nr. 6: Hafturlaub

Nr. 7: Krankheit und Wehwehchen

Nr. 8: Besuch

Nr. 9: Sporttag

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Eine Zelle in der Strafanstalt Hindelbank

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Ein Aufenthaltsraum

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Die Stoffwerkstatt, in der die Frauen kreativer Arbeit nachgehen können

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