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Ho, ho, heul! Wie soll ich unter Palmen in Weihnachtsstimmung kommen?

Zeitgeist

Ho, ho, heul! Wie soll ich unter Palmen in Weihnachtsstimmung kommen?

Unsere Editor-at-Large Jacqueline Krause-Blouin ist kürzlich ins sonnige Los Angeles gezogen. Hier erzählt sie von ihrer verzweifelten Suche nach dem Weihnachtsgefühl – bei 25 Grad.

Was soll ich sagen, ich liebe Schnee. Genau für 31 Tage im Jahr – und diese sollen bitte möglichst im Dezember stattfinden. Danach sollen die Flöckchen genauso schnell zurück in Frau Holles Kissen, wie sie hergekommen sind. Ich bin, im Gegensatz zu meinem grinchigen Mann, ein passionierter Weihnachtsfan, nehme jeden Glühwein mit, bastle Adventskranz und Adventskalender. Und seit wir ein Kind haben, macht es sogar noch mehr Spass. Nur bei «lustigen» Weihnachtspullis ist auch meine Grenze erreicht.

Tja, und jetzt befinde ich mich in einer Weihnachtsidentitätskrise. Ich bin nämlich dieses Jahr mit meiner Familie nach Los Angeles gezogen und wie hat schon Joni Mitchell in «River» gesungen: «It don’t snow here, stays pretty green».

Kann man wohl sagen. Es sind immer 25 Grad und in den Calls mit meinen annabelle-Kolleginnen sind alle neidisch auf die Sonne und darauf, dass ich im Tanktop unter Orangenbäumen sitze, noch Sand zwischen den Zehen vom Strandbesuch. Ich hingegen sehe auf Instagram ein verschneites Züri, Schlittschuhfahren am Dolder und Weekendtrips in die Berge. Glühwein! Weihnachtsmärkte! Ho, ho, heul!

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«Manchmal gehe ich in die Mall, wo alle halbe Stunde ‹Last Christmas› läuft und dazu Fake-Schnee fällt»

Also habe ich beschlossen, mir trotz des tropischen Klimas selbst Weihnachtsstimmung zu verschaffen. Ich habe am 29.11 bereits einen Weihnachtsbaum ins Haus geschleppt und geschmückt (er ist leider jetzt schon braun, weil es zu warm ist), habe uns für sämtliche Christmas-Events angemeldet, die ich finden konnte (Spoiler: viele!) und gehe ab und zu alleine in die Outdoor-Mall, wo alle halbe Stunde «Last Christmas» läuft und dazu Fake-Schnee fällt. Ich habe mir sogar eine Mütze angezogen fürs Gefühl, die ich dann bei der zweiten Strophe schwitzend und resigniert wieder eingesteckt habe.

Duft vom Grittibänzbacken in der Luft

Hier gibt es sogar eine Eisbahn, wo man in Shorts heisse Schoggi trinkt und neulich haben sie im Park eine Schlittelbahn aus Schnee aufgebaut, aber fragt mich jetzt bitte nicht, wo der hergekommen ist. Manchmal laufe ich abends durch die Nachbarschaft und schaue mir die beleuchteten Häuser an (stilvoll geht anders!) und wenn mein Mann nicht da ist, lasse ich den Hallmark-Holiday-Channel laufen, auf dem in Dauerschleife schlechte Weihnachtsfilme laufen, der Duft vom Grittibänzbacken hängt noch in der Luft.

Ich habe einen Samichlaus-Besuch organisiert und ein Breakfast mit Santa gebucht, wir waren bei «Mrs. Claus in the Train Museum» und nicht zu vergessen bei der «Magical Christmas Experience» im Botanischen Garten. Also: An meinem Einsatz liegt es wirklich nicht. Und am Einsatz der Amerikaner:innen auch nicht – wenn ich wollte, könnte ich jeden Tag drei richtig gut gemachte Weihnachtshappenings besuchen.

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«Wenn mein Mann nicht da ist, lasse ich den Hallmark-Holiday-Channel laufen»

Aber es funktioniert einfach nicht. Sonnencrème, Sommerkleider und Barfusslaufen passen für mich nun mal nicht zu Weihnachten. Und wenn man mich fragt, ob ich meinen Christmas-Latte «hot» oder «iced» möchte, werde auch ich zum Grinch. Am liebsten würde ich den aufblasbaren Schneemann unserer Nachbarn nachts vermummt mit einer Nadel zerstechen und ganz laut schreien: «It’s all faaaaake!»

Vor Jahren habe ich einmal mit meiner Mutter und meiner Schwester Weihnachten auf Sri Lanka verbracht. Mit Plastikweihnachtsbaum am Strand. Das war damals gut, weil sich meine Eltern gerade getrennt hatten und meine Mutter uns wahrscheinlich vor einem traurigen Fest zu dritt bewahren wollte (hätte ich auch so gemacht!). Das kann man mal machen, aber mein Moodboard für ein gelungenes Weihnachtsfest geht eher in die Richtung von Wham!s Musikvideo.

Verzweifelt habe ich meine Freundinnen, die schon länger in L.A. leben, gefragt, wie sie denn in Weihnachtsstimmung kommen. Die Antwort einer Europäerin? «Du musst in die Berge fahren». Na toll. Wieder Heiweh nach dä Berge! Wobei ich herausgefunden habe, dass das Skigebiet Big Bear nicht einmal zwei Stunden entfernt liegt. Das könnte also nächstes Jahr wirklich eine Option sein.

Meine Nachbarin, die hier aufgewachsen ist, kann mein Problem so gar nicht nachvollziehen. Sie hatte noch nie echten Schnee an Weihnachten, hat ihr ganzes Haus mit aufblasbaren Zuckerstangen dekoriert und summt fröhlich «Jingle Bells». Und global gesehen geht es ehrlicherweise ja den meisten Menschen so – die wenigstens wohnen in kalten Gebieten, wenn sie denn überhaupt Weihnachten feiern. Aber in Weihnachtsliedern wird fleissig «White Christmas» gewünscht und Hollywood lässt in den festlichen Filmen die Flocken rieseln.

Neue Traditionen

Ich merke, dass die Weihnachtszeit so sehr mit der Kindheit verknüpft ist, dass man an diesen Tagen am liebsten alles so haben möchte, wie es früher war. Vorausgesetzt, es war eine schöne Kindheit, natürlich. Weihnachten stimmt mich nostalgisch, gerade jetzt merke ich, dass ich nicht in der Heimat bin.

Wir werden für uns neue Traditionen entdecken, ein paar heimische hier aufleben lassen und was am allerwichtigsten ist: Driving (oder: flying) home for Christmas – wir werden fürs Weihnachtsfest in die Schweiz kommen. Natürlich nicht (nur) wegen des Wetters und des Glühweins. Am wichtigsten sind doch immer noch die richtigen Menschen unterm Weihnachtsbaum.

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Joy

Puh, klingt ziemlich angestrengt und konsumorientiert.